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Theaterprobe


maerC

Theaterprobe

 

(Leeres Theater, im Halbdunkel der Bühne eine abgewetzte Chaiselongue, kurz vor 12 Uhr mittags)

 

Es schlurft herein der Regisseur

mit Textbuch und mit Kirschlikör.

Ganz langsam aus der Garderobe

erscheinen zwei zur ersten Probe.

 

Die eine von der Schauspielschule,

der andre ist der Obercoole.

Sie geh'n gleich intensiv zur Sache,

bevorzugt mittels Körpersprache.

 

Beim Proben einer Liebesszene

beweist Talent die junge Schöne.

Sie heizt den Coolen so stark an,

dass der kaum an sich halten kann.

 

Der Regisseur ruft: "Haltet ein

und lasst die Knutscherei mal sein!

Ihr müsst die Szene repetieren,

um euren Text zu deklamieren."

 

Herauf taucht jetzt der Hauptdarsteller

per Hebebühne aus dem Keller.

"Was geht hier vor, welch dreistes Tun?

Steht auf, wir proben jetzt 'High Noon'!

 

Theater ist kein Vögelnest,

und wenn mal doch, dann haltet fest:

Nur ich als reifer Silberrücken

darf wen auch immer hier beglücken!"

 

Der Coole und der Hauptdarsteller

steh'n da, man fragt sich: wer zieht schneller?

Da stößt urplötzlich dieser Strolch

den blitzenden Theaterdolch

 

dem Hauptdarsteller in die Brust

und faucht, es wäre kein Verlust,

wär' dieser Dolch tatsächlich echt.

Dann tritt er ab - ganz selbstgerecht.

 

Der Star liegt auf dem Silberrücken,

den Dolch aus seiner Brust zu zücken,

gelingt ihm nicht, sein Hemd kirschrot

vor Blut - er stirbt den Bühnentod.

 

Entgeistert klagt der Regisseur:

"Die Szene passt hier gar nicht her!

Ist dieses Messer etwa echt?

Das Leben ist so ungerecht!"

 

Ganz großes Kino, doch sehr dumm

gelaufen ohne Publikum.

Hier inszenierte schlechtes Karma

die Probe als das wahre Drama.

Platzierung

2.

Stimmen

10

Aufrufe

798

Kommentare

13

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13 Kommentare


Lieber maerC,

 

dieses war mein Goldplatzgedicht, es ist dir rundum gut gelungen. Freude beim flüssigen lesen, Spannung und Witz, was will man als Leser mehr! Ich hab mich riesig darüber gefreut als es auftauchte (leider hat es meinen ausgetüftelten Punkteplan durcheinander gebracht! aber mit Freude!)

 

Meinen herzlichen Glückwunsch nicht nur für den Platz sondern auch fürs Gelingen eines tollen Gedichtes ?

 

Liebe Grüße

Sali

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Lieber @maerC,

 

 

Es schlurft herein der Regisseur

mit Textbuch und mit Kirschlikör.

 

Allein diese Zeilen hätten es verdient, in die "Wilhelm-Busch-Hall-of-fame" aufgenommen zu werden!

Gratulation zum zweiten Preis, hochverdient!!

 

Liebe Grüße von Georg

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Hallo, maerC

Die Form deines Gedichtes, die witzige Beschreibung in der Arbeitsweise des Regisseurs und die Arbeitsweise der Darsteller, na hoffentlich bekommst du keinen Ärger vom Theater(Lach) Aber im Ernst, einfach super. Man konnte sich so richtig diese Szenerie vorstellen. Hochverdient der 2. Platz, wärest für mich mit auf dem Goldtreppchen gelandet, wie noch ein -zwei andere. 

LG sendet Pegasus

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Hi maerC,

 

„Es schlurft herein der Regisseur

mit Textbuch und mit Kirschlikör.“

 

Wenn ein Gedicht so beginnt...

 

Also ich habe mich spontan gefragt, ob ich im falschen Film bin... Kam dann aber schnell darauf, dass es mich hier schon aus der Spur und aus dem Kopfkino hinaus und direkt ins Kopftheater hinein katapultiert hat. Das war kein Film, das war viel besser, das war live.

 

Und es gibt echt so viel in deinem Wimmelbildgedicht zu finden, dass es mehrfach gelesen werden möchte. Allein, dass ich erst im dritten Anlauf den Kirschlikör als rotes Omen für den Verlauf der Tragödie und für das blaue Wunder bzw. blutige Ende, dass dem Silberrücken bevorsteht, erkannt habe... Zuerst war es „nur“ ein ganz ausgezeichneter Einstieg in die Theaterszene und auch in die Stimmung, die das Gedicht in zwei Zeilen von 0 auf 100 warpt. Einfach galaktisch...

 

Und danach war es der farbenfrohe Rahmen für ein ganz exquisites Reimvergnügen.

 

Ich gratuliere herzlich zur Medaille.

 

 

Liebe Grüße vom Gaukel

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Hallo @Gaukelwort,

freut mich, dass du mein Gedicht mehrmals gelesen hast und manche Bezüge entdeckt hast, die man auf Anhieb vielleicht nicht sieht. Vielen Dank für dein überschwängliches Lob. In aller Bescheidenheit: Ich finde es auch sehr gelungen.

LG

maerC

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