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Sturz vom Abhang


Holger

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Sturz vom Abhang von Holger Jürges

 

Karl schloß die Haustür hinter sich und strebte dem nächtlichen Park zu, über dem, so glaubte er, früher

unzählige blaue Himmel für ihn geschienen hätten.
Wie hatte das nur geschehen können ? Ein persönliches Unglück hatte ihn an den Rand seiner Lebensfähigkeit

gerückt.
Alles war gut gewesen: begleitet von vortrefflichen Umständen war sein Dienen belohnt worden aus den fruchtigen Hängen
Jener, die man gemeinhin die Belohner nannte. Und alle Menschen beugen sich freudig deren Gnade, denn

was wäre denn ohne sie. Und dieses Gebot der Gnade war ihm plötzlich, so schien es, widerrufen worden zu sein, ohne das ein

Grund ersichtlich wäre. - Es begab sich, daß Karl nunmehr unsichtbar für alle war, die in der Lage schienen, das Gegenüber durch ihre Sinnesorgane wahrzunehmen. Nach einigen höflichen Versuchen Kontakt herbei zu führen, schrie Karl seine Angst und Verzweiflung in die Leere der Welt hinaus.
Etwas hatte ein eigenes Vakuum für ihn geschaffen.

Nun lässt es sich leidlich gut einrichten in jeder Not, sofern der Körper seine Funktionen durch die Zufuhr von Nährstoffen aufrecht erhalten kann. Aber nein, das war doch keine Lösung.

Sein Gang führte ihn weiter in den dunklen Park hinein. Wie jemand der schlendernd zum Abhang geht, nichts ahnend und vielleicht ein imaginäres fröhliches Lied sich denkend, war er plötzlich in der herrschenden Dunkelheit über den besagten Abhang hinaus geraten, noch wild mit den Armen rudernd und anschließend kopfüber in die Tiefe stürzend.

Er war gänzlich aus dem System gefallen.
Karl schüttelte verwirrt den Kopf, erhob sich und dachte - das kann nicht sein, "also voran" hörte er sich rufen. Halb stolpernd halb rennend lief er tiefer in den dunklen Park und schrie und schrie seine Not hinaus in die Nacht. Als renne er gegen eine Dunkelheitswand, die sich jeweils um einen Sprung von ihm entfernte, sobald er, kurz vor dem Aufprall befindlich, zu kollidieren drohte, war´s ihm, als würde sich sein Lauf ins Unendliche hinaus dehnen. Und er keuchte und schrie.
"Was schreist du so fürchterlich und störst meine Ruhe", tönte es plötzlich aus der Dunkelheit. - Schweiß und Tränen brachen sich Bahn in Karls Gesicht, ob des Lebenszeichens von irgendetwas. Und es ward ganz still. Karl überkam eine tiefe Ruhe, die sich aus geheimer Quelle nährte.

Und er setzte sich nieder, grad am Wurzelnde eines mächtigen Baumes, worin sich eine wie zum Sitzen geschaffene Mulde gebildet hatte.
Aus dem Rauschen des Wipfels heraus tönte wieder jene Stimme und sie sprach: "Ich weiß was du denkst: niemand mehr würde dich erkennen, du Einsamer. Jedoch bedenke, herausgefallen zu sein aus dem System bedeutet beileibe nicht sich zu verschlechtern. Was dir fehlt ist ein neues Augenlicht. Deine Augen sehen sodann deine neue Welt. Jener Sturz ins Nichts war mehr als man mit Worten sagen kann. Nun geh endlich, der blaue Himmel wird nicht für dich scheinen. Du selbst bist es, der den Himmel blau scheinen lassen wird."
Und Karl ging und ward niemals mehr im dunklen Park gesehen.

 



 

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vor 4 Stunden schrieb Holger:

 

Liebe Elisabetta,

 

danke für Deine Gedanken, die sekundär durchaus richtig sind. - Die Erzählung im Ganzen fokussiert sich jedoch auf ein besonderes Erlebnis des Protagonisten Karl, dem ein spirituelles Erlebnis widerfahren ist, das ihn aus der bisherigen Welt/Wahrnehmung herausgehoben hat.

Ähnlich wie in Platons "Höhlengleichnis" ist ihm eine höhere Entität erschienen, die das zuvor determinierte Weltbild relativiert hat und ihn aus der täuschenden Schattenwelt (der relativen Realität) in die absolute Realität erhoben hat.

Im Angesicht der neuen Erfahrungen gelangt Karl zu der Einsicht, daß nicht er "in der Welt geschaffen ist" sondern daß er selbst der Erschaffer

seiner Welt ist. - Auf einen philpsophisch erhellenden Diskurs diesbezüglich möchte ich an dieser Stelle verzichten.

 

Herzlichst,

Holger

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