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Feedback jeder Art es war ich

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  • evermore
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Sie treiben mich mit Stimmen,
die keine Sprache tragen,
nur Taktstock aus Schlägen.
Die Luft riecht nach vorher.
Nach denen, die nicht mehr sind.
Ich weiß nicht, was Tod ist.
Aber er hat einen Klang.
Ein Kreischen, das plötzlich aufhört.

Ich rutsche auf Kot,
nicht meinem.
Die Tür atmet.
Stahl hat eine Seele –
sie ist kalt und kennt kein Verzeihen.
Ein letzter Lichtfleck
zittert über Beton.
Wie ein Versprechen,
das sich nie gemeint hat.

Er verschwimmt
durch den salzenen
Vorhang meiner
flüssigen Ahnung.

Ich stehe nicht.
Ich zittere auf vier Gliedern,
die mich tragen,
aber nicht mehr glauben,
dass es irgendwohin geht
ausser ins Verderben.

Ein Zischen.
Erst fern.
Dann überall.
Geruch von Metall,
von Panik,
von mir
oder anderen -
wir riechen alle gleich
ängstlich.

Ich kann nicht schreien,
weil sie mir die Stimme gestohlen haben,
lange bevor ich geboren wurde.
Aber innen brülle ich,
mit allem, was kein Wort ist
und doch mehr sagt
als all ihre Siegel.

Die Lunge füllt sich mit Brennen.
Ich sehe nichts mehr,
aber alles ist da:
Die Mutter.
Der Schlachthof.
Die Hand, die mich stieß,
und dann den Hebel zog.

Ich falle.
Die Haut lebt noch,
sie schreit mit Millionen Zellen.
Ich höre meine Gedanken fliehen
wie Ferkel in alle Richtungen,
wenn sortiert wird nach
Leben und Tod.
Beides das gleiche hier
im Kloakendasein.
Doch sie finden keinen Ausgang,
nur rote Wände
und tote Körper.

Dann:
Nichts.
Aber das Nichts ist heiß
und voller Leben,
das nicht sein darf.

Wenn du das liest,
und noch atmest,
dann wisse:
Es war nicht „Fleisch“.
Es war ich.
 
Hallo @evermore,

hier geht es wohl um die letzten Momente von Schweinen vor der Tötung. Ich war erst von der Gasbeschreibung überrascht, doch nach kurzen Googeln, werden diese oft wohl tatsächlich vor der Schlachtung mit C02 betäubt, wobei sich Kohlensäure in den Lungen bildet. Wieder etwas gelernt. Ansonsten sehr eindrücklich geschrieben. Ich weiß nicht, wie Schweine die Welt wahnehmen, aber schön wird es sich in den Schlachtanlagen sicher nicht für sie anfühlen. Danke fürs Teilen.

Beste Grüße

Friedrich
 
Guten Abend @Helmut Endres

Es freut mich, dass der Text verstört, denn genau das ist dessen Ziel. Die Aussage ist eigentlich sehr klar. Es geht um Gewalt. Es geht um Gewalt, die jeden Tag konsumiert wird und die nicht mehr bemerkt wird, weil sie so bequem serviert wird, dass man nicht mehr weiß, wie Schmerz klingt.

Der Text will, dass du einen Moment die Rolle wechselst: Nicht Leser. Nicht Mensch. Sondern: Körper, der weiß, dass er getötet wird, aber noch nicht tot ist und alles spürt. Wenn es dich nicht verstört hätte, hätte ich mir ernsthaft Sorgen gemacht.

Beste Grüße zurück
evermore

Hey @Friedrich

Vielen Dank für das positive Feedback, es freut mich, dass du dadurch etwas neues erfuhrst!

Einen angenehmen Abend,
evermore
 
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Liebe evermore
Da die Lebensmittelindustrie leider unter dem Dauerdruck der Ökonomie leidet sind die wenigen und immer größeren Schlachthöfe nicht zu begrüßen. Hausschlachtungen wurden mehr oder weniger von der EU durch überzogene Hygienerichtlinien verboten.Früher war eine große Gefriertruhe Standard mir vorhandenem Dosenregal. Ich bin auch deiner Meinung, dass die Würde von Nutztieren geachtet werden muss. Hier sollten gewisse ökonomische Umstände keine Beachtung finden. Der Kunde zahlt die Vollkosten für das, was er bestellt hat oder haben möchte.
 
Lieber @Rudolf Fritz-Roessle

danke für deinen Kommentar, du sprichst einige zentrale Missstände an, auch wenn wir an einem Punkt wohl grundsätzlich auseinandergehen:
Ich bin der Meinung, dass die Würde eines Tieres nicht „geachtet“ werden kann, während man es gleichzeitig zur Ware macht, es in Gefangenschaft züchtet, verstümmelt, umbringt und danach aufisst.

Das ist keine Frage der Ökonomie, sondern eine der Ethik. Und es ist erstaunlich, wie oft die ökonomische Notwendigkeit als Entschuldigung für das moralisch Unerträgliche herhalten muss.

Das Verschwinden der Hausschlachtung, das Aufkommen industrieller Zentren des Tötens ist keine moralische Abweichung vom Tierverzehr, sondern seine logische Konsequenz. Wenn Tiere Dinge sind, dann ist Effizienz ein Fortschritt. Wenn Tiere jemand sind, dann ist jede Form der Schlachtung ein Verbrechen.

Es geht nicht um „gute“ oder „schlechte“ Schlachthöfe, sondern um das Grundrecht auf Unversehrtheit, das wir willkürlich nur unserer eigenen Spezies zugestehen.

Der Kunde solle die Vollkosten zahlen. Ich sage: Der Preis kann niemals den Schmerz decken, den wir systematisch verursachen.

VG
evermore
 
Liebe Poeten,
vielleicht sollten wir einmal darüber nachdenken, das es entscheident ist in welcher Art und Weise wir den Umgang mit uns und der Natur pflegen und nicht warum wir das tun was wir tun.
LG
Helmut
 
Hallo @evermore

Ein Text der den Stimmlosen eine Stimme gibt. Die Idee gefällt mir, aus der Sicht des wehrlosen Opfers geschrieben lässt einem die Ausweglosigkeit mitfühlen, mehr als ein Blick von außen darauf.

Und letztendlich ein Text der ohne historische Verunglimpfung oder reißerische Schlagwörter auskommt, weil er sie nicht nötig hat. Sehr schön.

LG JC
 
Guten Abend @Helmut Endres

Ich glaube, es ist nicht ganz so einfach, das „Warum“ beiseite zu lassen, gerade weil die Art und Weise, wie wir mit Natur und Mitwelt umgehen, ja oft Ausdruck eines dahinterliegenden Denkens ist. Also: Warum wir handeln, wie wir handeln, prägt doch sehr, wie wir es tun, oder?
Ich denke, dass Reflexion über Beweggründe nicht automatisch ins Theoretische führen muss, sondern helfen kann, aufrichtiger zu handeln.

LG
evermore

Hey @Joshua Coan

danke dir für deinen Kommentar. Es tut gut zu lesen, dass der Text berührt hat, auch ohne „historische Verunglimpfung“ oder „reißerische Schlagwörter“, wie du schreibst. Das freut mich. Und gleichzeitig bleibt genau das für mich ein bitterer Punkt.

Denn was bedeutet das eigentlich? Dass Empathie dann „funktioniert“, wenn der Text sich so weit abstrahiert, dass man sich nicht mehr reiben muss? Dass Leid poetisch genug ist, solange es keine Reizwörter triggert? Ich frage mich, warum ein Text nur dann als „gut“ gilt, wenn er sich nicht mehr konkret erinnert, oder wenn er seine Erinnerungen so verschleiert, dass sie nicht mehr gefährlich wirken.

Beim Schreiben habe ich diesmal verzichtet, auf Begriffe, auf Kontext, auf das, was „missverstanden“ werden könnte. Und plötzlich ist es „schön“. Plötzlich ist es legitime Kunst. Vielleicht ist das der Preis: nicht mehr sagen, was ist, sondern nur noch, wie es sich anfühlt. Ohne Richtung. Ohne Geschichte. Ohne politische Reibung. Nur Gefühl. Rein und entschärft.

Ich verstehe, was du meinst. Und ich schätze deine Worte. Aber muss ein Text seine Zähne ziehen, damit er gehört wird?

VG
evermore


PS.: Deine Formulierung der Stimme für die Stimmenlosen trifft es meiner Meinung nach. Doch warum hälst du ihrer Stimme nur dann für legitim, wenn sie entpersonalisiert, entgeschichtlich, entkonkretisiert ist? Als ihre Stimme kunstvoll genug wurde, um nicht mehr unbequem zu sein? Ist für mich nicht nachvollziehbar, auch wenn ich diesen Spruch selbst gern verwende.
 
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