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Feedback jeder Art Bruder Nacht

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Ein Gespräch mit der Nacht:


Endlich.
Bruder Nacht,
du schaltest das Grau des Tages aus.

Ich komme
aus Neon,
aus Reklamelicht,
aus Bildschirmen,
die mir die Augen wund gemacht haben.

Lange habe ich
nach deinem Dunkel gesucht –
nicht nach Ruhe,
sondern nach einem Raum
ohne Forderungen.

Vorher warst du nur
ein grauer Filter
über den Dächern,
zu viel Restlicht,
zu viele Schatten
aus Abgas und Werbung.

Jetzt liegst du
klar über der Stadt,
ein einziges ruhiges Gesicht,
hochgezogen zwischen
Hauskanten und Ampeln.


Bis irgendwann der blasse Morgen
die Vögel aus dem Schlaf ruft,
Busse anrollen,
Kaffeemaschinen husten
und dein Leuchten
im Straßenlärm verschwindet –
bis dahin gehören wir zusammen.

Im Spiegel meines Fensters
sehe ich mein eigenes Lachen,
jünger als mein Körper,
hungrig nach etwas,
das der Tag nicht hergibt:
kein Status,
kein Kontostand,
kein Applaus.

Deine Sterne,
fern wie fremde Städte,
kühlen mir die Stirn.
Deine matte Scheibenmond-Sonne
nimmt mir die Hitze aus dem Gesicht.

Ich trage nichts,
das in deinem Atem anlaufen könnte –
kein Schmuck,
kein Image,
keine Rolle.

Ich komme zu dir
so nackt,
wie ich war,
als ich noch alles riskierte.

Der einzige Schatz,
den ich behalten habe,
sind diese wachen Augen,
die langsam lernen,
dich auszuhalten.

Du, Bruder,
der mich nicht belügt:

Wir stehen uns gegenüber,
Fenster gegen Himmel,
Auge in Auge.

Irgendwo da oben
verbinden sich Punkte,
zeichnen meinen Blick nach,
bis ein Muster entsteht,
das ich wiedererkenne:

meine Augen
als Sternbild
in deinem Dunkel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo @Driekes

Sehr schöne Beschreibungen. Fühlbar beschrieben.

Als kleinen Tipp:
Bis der blasse Morgen
die Vögel aus dem Schlaf ruft,
Busse anrollen,
Kaffeemaschinen husten
und dein Leuchten
im Straßenlärm verschwindet,
gehören wir zusammen.

Diesen Abschnitt würde ich ganz an den Schluss packen. Beim lesen stört er an dieser Stelle, da zum Nachtthema plötzlich mittendrin Gedanken an den Morgen kommen, der ja aber erst am Ende der Nacht graut.

Ansonsten gern gelesen und mitgefühlt.

LG JC
 
Hallo Driekes
Die Nacht hüllt ihren schwarzen Mantel über den Tag, deckt alle Sorgen und Nöte zu. Sie ist ein Freund, ein Seelenpartner, der Entspannung und Erholung bringt.
Ihre Gefährten, Mond und Sterne, zaubern ein imaginäres Licht der Geborgenheit. Hier kann man sich geben, wie man ist, die Masken fallen. Erst der Morgen bringt den Trubel zurück.

Habe gern mit dir in die Nacht geblickt !
LG Teddybär 🐻
 
Hallo Driekes, die Nacht als Freund und Ruhepol zu sehen, das gefällt mir. Fernab der Hektik des Tages ist die Nacht klar und direkt. Sie täuscht nichts vor und lässt uns einfach uns selbst sein. Ich mag und teile Deine Sichtweise, wie Du sie hier in diesen Zeilen beschrieben hast. Einfach einmal durchatmen und gedanklich in den fernen Sternenhimmel schweifen.

Was mich hier etwas befremdet, ist die Bezeichnung "Bruder", da das Wort "Nacht" doch weiblich ist.

Es grüßt Juls
 
Hallo Driekes, dass ist wirklich fantastisch geschrieben. Mir war heute Morgen schlecht und ich hatte Kopfschmerzen, und jetzt geht es mir besser, auch weil ich mich getraut habe mich dem Unwohlsein und den Schmerzen zu stellen, einfach im Sessel zu sitzen und zu meditieren. Für mich ist es die Meditation, für dich die Nacht. Wir alle brauchen einen Raum wo wir, fernab all unserer Rollen, einfach sein können wie wir sind. Sehr gern gelesen.
 
Hallo @JC,

danke dir fürs Reinschauen und deine Rückmeldung – freut mich sehr,
dass du den Text als „fühlbar“ erlebt hast. 🙏

Deinen Hinweis zur Morgen-Strophe kann ich gut nachvollziehen.
Wenn man das Gedicht eher „chronologisch“ liest – erst Nacht,
und ganz am Ende der Morgen – wirkt der frühe Auftritt des Morgens
tatsächlich wie ein kleiner Bruch.

Ich habe die Passage trotzdem bewusst direkt hinter die Zeilen gesetzt,
in denen sich die Nacht über die Stadt legt. Für mich markiert der „blasse Morgen“
dort so eine Art Zeitrahmen: Die Nacht ist da, aber sie steht schon unter dem Vorzeichen
ihres Endes. Alles, was danach kommt (Fenster, Spiegel, Augen, Sternbild), passiert in genau diesem begrenzten Zwischenraum.

Damit das beim Lesen klarer wird, habe ich die Strophe auf deinen Impuls hin ein wenig nachgeschärft:

Bis irgendwann der blasse Morgen
die Vögel aus dem Schlaf ruft,
Busse anrollen,
Kaffeemaschinen husten
und dein Leuchten
im Straßenlärm verschwindet –

bis dahin gehören wir zusammen.

So bleibt die Stelle an ihrem Platz, macht aber deutlicher:
Das ist nicht schon der Szenenwechsel, sondern die mitgedachte Grenze der Nacht.
Der Schluss sollte weiterhin im Dunkel bleiben – bei den „Augen als Sternbild in deinem Dunkel“ – und nicht im nächsten Bürotag landen.

Auf jeden Fall danke für deinen Anstoß –
solche Leseperspektiven helfen mir beim Feintuning ungemein


Moin @Teddybär,

dein Bild vom schwarzen Mantel, der sich über den Tag legt, mag ich sehr – genau so fühlt sich diese Nacht für mich an: eher wie eine Decke als wie Drohung.
Dass du das mit dem „Maskenfallen“ so aufgreifst, trifft meinen Grundton ziemlich gut: endlich mal nicht funktionieren müssen, sondern einfach kurz ausatmen dürfen.
Danke dir fürs Mit- in-die-Nacht-Blicken. 😊


Moin @Juls,

Danke dir fürs genaue Lesen – und dafür, dass du diese ruhige, klare Seite der Nacht so schön formuliert hast. Dieses „fernab der Hektik“ ist genau der Raum, den ich im Text meine.
Zur „Bruder“-Frage: Ja, grammatikalisch ist die Nacht weiblich. Für mich war „Bruder“ hier eher ein Bild für einen Verbündeten, jemand, der auf meiner Seite steht, als ich es selbst kaum noch bin – mehr Beziehung als Grammatik sozusagen. „Schwester“ hätte einen anderen, weicheren Klang, ich wollte die Nacht hier eher als Kameraden im Rücken haben.
Freut mich sehr, dass du diese Sicht teilen kannst. 🌌



Hallo @EndiansLied,

das berührt mich, was du schreibst – sowohl die Kopfschmerzen als auch der Mut, dich dem einfach mal hinzusetzen und es auszuhalten.
Deine Meditation und meine Nacht liegen da gar nicht so weit auseinander: beides ein Raum, in dem keine Rolle eingefordert wird und nichts „geleistet“ werden muss. Genau daher kommt im Text auch der „Raum ohne Forderungen“.
Es freut mich ehrlich, wenn dir das Lesen in so einem Moment ein bisschen gutgetan hat. Ich wünsche dir, dass solche Räume dir noch öfter begegnen.


LG
Driekes
 
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