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Feedback jeder Art Die Stille nach der Götterdämmerung.

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Ein poetisches Nachsinnen in nordischer Tiefe


Ich stand auf dem Hügel,
dort, wo einst der Seher ging.
Die Schatten waren lang –
und kein Laut mehr sprach seinen Namen.
Die Asche der Götter
liegt wie Nebel auf dem Gras.

Ich, der blieb,
höre das Schweigen der Alten.



Er hatte versprochen,
uns zu führen mit dem Stab aus Glanz –
wie Heimdall am Rand der Welten.
Doch das Horn verstummte.
Kein Ruf durchdringt mehr die Leere,
in der selbst die Runen zersplittern.

Ich, der blieb,
höre das Schweigen der Zeichen.



Ich habe sie gesucht,
die Reiterinnen des Sturms,
deren Schilde einst in den Himmeln leuchteten.
Sie kamen nicht.
Nur der Wind trug den Hauch
verbrannter Flügel,
verweht im Tau der Schlacht.

Ich, der blieb,
höre das Schweigen der Himmelsschwestern.



Die Sängerinnen des Schicksals
webten keine Fäden mehr.
Die Quelle, die einst die Wurzel nährte,
ist versiegt.
Und selbst der Baum,
der alle Welten hielt,
zittert unter seinem eigenen Schweigen.

Ich, der blieb,
höre das Schweigen der Weltenesche.



Ich gehe durch Städte aus Glas,
durch Hallen aus Asche,
durch Tempel,
deren Flammen verglommen.
Das Licht meidet die Schwellen –
als fürchte es sich
vor dem, was bleibt,
wenn Götter gegangen sind.

Ich, der blieb,
höre das Schweigen des Lichts.



Kein Ruf fällt vom Himmel.
Kein Trost steigt empor.
Der Himmel ist leer –
nicht wie ein Raum,
sondern wie ein Versprechen,
das nie gehalten wurde.

Ich, der blieb,
höre das Schweigen des Himmels.



Doch in mir
zittert ein Echo,
eine Spur aus ferner Glut.
Ich trage sie weiter
durch Nächte und Staub,
für die,
die noch kommen.

Ich, der blieb – höre.
Und trage das Schweigen.
 
Hallo @Driekes,

mit der Götterdämmerung und der Stille danach hast mich voll und ganz in den Bann gezogen.

Was mir nicht so gut gefällt ist die Wiederholung von: Ich, der blieb und dem strophenabschließenden Vers.
Ich verstehe natürlich was du nach jeder Strohe damit sagen willst und könntest entsprechenden Vers einzeln stehen lassen, ohne dem ich, der blieb oder eben als letzten Vers in die Strophen einbinden.

Zum einen meine ich müsste es heißen: ich, der ich blieb und hätte den Vers als gedichtabschließend gelassen.

MfG
Monolith
 
Hallo Driekes! (Netiquette)

Dein Text wirkt wie ein nordischer Abgesang auf eine untergegangene Götterwelt. Die wiederholte Zeile „Ich, der blieb“ gibt dem Ganzen einen feierlichen Rhythmus. Die Bilder – von Asche über Glas bis zu verglommenem Licht – sind stark und berühren. Es gibt keine Hoffnung, und genau das macht die Stimmung so intensiv und düster.
Die Wiederholung von „Ich, der blieb“ gibt dem Text einen starken, feierlichen Rhythmus. Man könnte aber überlegen, ab und zu ein bisschen zu variieren – das würde den Lesefluss etwas lebendiger machen und den Gedichten mehr Spannung verleihen.

Ein Beispiel:

Original:
Ich, der blieb, höre das Schweigen der Himmelsschwestern.

Vorschlag mit Variation:
Ich blieb – und fand nur das Schweigen der Himmelsschwestern.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo

Monolith,​


vielen Dank für deine Rückmeldung – ich freue mich, dass dich das Thema und die Atmosphäre
des Textes erreicht haben.

Zur Wiederholung des Refrains: Ich verstehe gut, dass diese Art der Struktur nicht für jede Lesart ideal ist.
Für mich funktioniert sie wie ein Klanganker – ein wiederkehrender Ruf aus der Leere, beinahe wie ein
Litanei-Motiv oder das letzte Wort eines Überlebenden, das sich durch die Ruinen trägt.

Zur Formulierung „Ich, der blieb“:
Du hast natürlich Recht, dass „ich, der ich blieb“ die grammatikalisch vollständige Form wäre.
Ich habe mich aber ganz bewusst für die reduzierte Variante entschieden – sie ist stilistisch pointiert
und soll eine gewisse archaische, beinahe biblische Wucht haben.

Man denke an Wendungen wie „Ich bin, der ich bin“ – auch dort geht es nicht um Alltagssprache,
sondern um poetische Verdichtung und existentielle Setzung.

Für mich war diese Form sprachlich präziser, klanglich härter – sie passt zur Welt,
in der nichts mehr weichgespült wird.

Ich danke dir für deine kritische Lektüre –
gerade solche Reibungen machen das Schreiben lebendig.

Beste Grüße – und danke nochmals fürs genaue Lesen!
Bis dahin: Bleib, der du bist –
LG. Der, der blieb.
Peace!

@ThaiChiMaster

Hallo ThaiChimaster,

ich danke dir herzlich – besonders für deinen Begriff „nordischer Abgesang“, das trifft es wirklich gut.
Auch die Anregung zur Refrainvariation nehme ich gern mit.
Für diese Fassung war mir gerade das Unveränderte wichtig – wie ein stoischer Klang, der durch die Leere hallt.
Aber du hast recht: Eine sanfte Variation, z. B. durch Umstellung oder Aufbrechen der Wiederholung, könnte in einer überarbeiteten Fassung neue Spannung erzeugen, ohne den Ton zu verlieren.
Ich überlege, das bei einer Lesung bewusst einzusetzen – damit das Ohr etwas mitwandern kann.

Danke für deine Aufmerksamkeit und den feinen Blick!
LG. Driekes
 
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