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Textarbeit erwünscht ein letztes mal schulluft (ew)

Der/die Autor/in wünscht sich konkrete Rückmeldungen zur Textgestaltung.
  • Dieter
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Fliesen.
Sie fließen.
Sie flüstern mir Farben in Hirnwindungen,
lila wie Schuld,
fliederbleich wie das „Ach, Max...“
in den Stimmen derer,
die mir Gedichte verbieten wollen,
weil sie glauben, Sprache sei zum Verstehen da.
HA.
Hörst du das?
Ich hab auf dein "Verstehen" gespuckt
und das Echo hat gereimt.

Alt-Eichen-Liederreich,
ich schreie das in einen Spiegel,
bis mein Spiegelbild mich umarmt
und mir ein zweites Rückgrat näht,
aus Versmaß und bitteren Nebenwirkungen.
Ich bin mein eigenes Antidepressivum
mit Überdosis Ironie.

Riesen schießen.
Nicht mit Waffen.
Mit Fragen.
„Wie geht’s dir?“ BOOM
„Und was willst du studieren?“ PENG
„Du hast Talent, aber…“
Aber, aber, ABER?!
Dieses Wort hat mehr Leichen im Keller
als meine gesamte Blutbahn
nach zehn Jahren Katholizismus mit Beurteilungstempo.

Ich stöhne nicht, ich stottere
in Vibrationstönen, die keiner Skala gehorchen.
Mein Kehlkopf ist ein defekter Synthesizer,
und Gott?
Der hat meine Playlist gemutet
seit ich aufgehört hab zu beten
und angefangen hab zu schreiben.

Mein Nacken,
diese morsche Antenne zum Himmel,
empfängt nur Rauschen und Ratschläge.
Ich will sie alle niederhauen.
Nicht aus Hass.
Aus Hygiene.

Du da, mit deiner Stimme wie Gips auf Glassplittern –
wenn du noch einmal „Chill mal“ sagst,
werd ich dir ein Haiku aus deiner DNA scratchen
und es in die Wand ritzen mit der Fingernagelspitze
meiner toten Hoffnung.

Was bleibt,
ist ein Wunsch:
Dass diese Stimmen sterben wie alte Windows-Sounds.
Nicht dramatisch.
Nur plötzlich.
Und leise.
Leise wie das Wort „bitte“ in der Bahn,
wenn keiner zuhört
und alle so tun, als wäre die Welt ein IKEA-Katalog.

Geh(t) heim.
Geh Hirn.
Geh nicht auf mein Gemüt
mit euren Gesprächen über Laptops und Laternenfeste.
Ich bin nicht wütend.
Ich bin strukturell beleidigt.

Veganer sagen, wir seien Tiere.
Ich sage: Tiere haben Würde.
Als Veganer.
Ihr habt WLAN und Meinungen.
Und das ist leider nicht dasselbe.

T-Rex.
Einfach so.
T-Rex.
Weil ich kann.
Weil alles, was ich nicht sagen darf,
sich in Großbuchstaben an meinen Zähen staut
und schreit:
"DU HAST KEIN WORT RECHT AUF MICH!"

Bye Schule, bye Hirnrotz,
auf dass wir uns nie wieder sehen.
Auch nicht an Kasse zwei.
SCHON GAR NICHT DORT.

Satan nickt.
Jesus weint.
Ich mach mir nen Tee
und nenn ihn Existenz.

Mein Name wird gerufen.
Ich hole meine Noten.
Und bin frei.
 
Hallöle evermore, wie spannend und köstlich zu lesen der Text doch ist. Ich finde ihn als Gedicht etwas zu umfangreich, denn ich stelle mir immer vor, ich müsste das Gedicht auswendig lernen. Es wäre ein super Prosatext oder eine Kurzgeschichte. Aber ich will nicht oberlehrerhaft sein und freue mich über die ausgeklügelten Worte und die Hintergedanken, die sie hervorrufen.

Liebe Grüße und weiter so, Juls
 
Hallöle Juls,

ich versteh, was du meinst, man liest das Ding und denkt: „Ein schöner Ritt durch den sprachlichen Wahnsinn, aber wo ist bitte das Ende der Reitbahn?“
Ja, ich hab auch kurz überlegt, das Ganze in Prosa einzukochen, aber dann roch es plötzlich nach Bildungsroman, und ich bekam Angst, dass jemand anfangen könnte, die Metaphern zu analysieren, als wäre das hier ein Deutsch-Leistungskurs mit Overheadprojektor.

Also blieb’s ein Gedicht. Weil nur Gedichte es schaffen, mit dem Baseballschläger aus Wortwitz auf den Schreibtisch der Realität zu hauen und dabei noch zu reimen. Prosa hätte das Ganze gezähmt. Und das will ja wirklich keiner. Ich mein, ich will ja auch nicht mein Innerstes als Fließtext sehen. Das wär wie ein Nervenzusammenbruch in Times New Roman, 1,5 zeilig. Nee danke XD
Ich werd mich trotzdem nochmal darin versuchen, es prosaisch umzugestalten, vielleicht als Mischung 🙂

Danke fürs Lesen und für deine klugen Gedanken!
LG
evermore
 
Hallo evermore,
gewaltig - bildhaft - fesselnd vom ersten bis zum letzten Wort. Dein Werk würde ich zu gerne mal gesprochen erleben und ich sehe Dich schon auf der Bühne beim rezitieren. Meine standing ovations sind Dir sicher.
LG
Chilicat
 
Hey Chilicat,

ich verbeuge mich tief, nicht vor der Bühne, sondern vor deiner Großzügigkeit. Und dann lache ich leise, weil mein inneres Ich gerade mit zitternder Stimme murmelt:
„Stell dir mal vor… du auf einer Bühne… und kein Fluchtweg sichtbar.“
Aber weißt du was? Wenn die Worte vorher durch dich gegangen sind, dann wär selbst ich bereit, sie laut werden zu lassen.

Danke für die standing ovations im Geiste, ich hab sie gespürt bis in die Zehenspitzen meines Satzgefüges. XD

LG
Evermore
 
Hallo evermore,

tolles Ding! Verbesserungsvorschläge habe ich keine anzubieten (weil ich nicht wüsste, was hier zu verbessern wäre). Im Übrigen möchte ich Chilicat beipflichten: Der Text möchte ganz offensichtlich vorgetragen werden. Wenn man nicht schon mit einem halben Auge in der folgenden Zeile ist, käme manche Wendung noch überraschender.

Formell würde ich das Stück als "Prosalyrik" bezeichnen. Natürlich ist es nicht so formstreng wie die Prosagedichte unseres Forenmitglieds @Perry mit ihren 3 x 3 Zeilen. Aber in welches Bett würde man einen solch unbändigen Gedankenfluss zwingen wollen? (Eine reizvolle Herausforderung könnte eventuell die Umwandlung in ein Sonett sein ...) Kürzen kann man natürlich hier und da, aber nach dem ersten Lesen würde ich auf kein Detail verzichten wollen ...

Gruß
Cornelius
 
Hey @Cornelius

was für ein wohlig kluger Kommentar, fast schon selbst ein Gedicht mit Schlaubrillenrahmen. Ich danke dir sehr!
„Prosalyrik“ klingt wie genau die Art Zwitterwesen, die ich morgens im Spiegel sehe, noch halb Traum, halb Realität, mit einem Lächeln aus Kommas und Kaffeeflecken. Du hast recht, es will gesprochen werden. Vielleicht nicht mit Pathos, aber mit einem Augenzwinkern und einem inneren Feuerlöscher für die ganzen brennenden Gedanken.

Und ja: ein Sonett? Ein Sonett?! Das wäre so, als würde man einem explodierenden Wasserschlauch sagen: „Bitte einmal höflich in diese acht Eimer da rein.“ Aber... genau deshalb juckt es mich jetzt in den Fingern.

Danke für dein aufmerksames Auge und
LG
evermore

~

Hello again @Darkjuls

Warum Humor und Satire? Weil die Wahrheit nackt hässlich ist, aber Satire ihr ein Kostüm näht. Weil ich schreien will, aber lieber lache, dann klingt’s schöner.
Weil ich’s ernst meine. Aber das Leben nicht. Humor, Zynismus ist mein kleiner Schutzschild aus ironischer Alufolie. Nicht, weil ich nichts Ernstes meine, sondern weil es sich manchmal nur so ertragen lässt. Ich sag’s mal so: Ich mein’s ernst. Aber ich halt’s aus, wenn du lachst. Oder weinst. Oder beides gleichzeitig.
Das mit der Vertonung überlege ich mir mal, ein Fan meiner Stimme bin nicht wirklich XD
LG
evermore
 
hi ev,

ein sehr "fresher Approach" 😜.

Ich las deinen Slam zunächst als eine Art poetisches Manifest eines jungen Menschen, der gegen Erwartungshaltungen, Urteile, Bevormundung und Konformitätsdruck rebelliert (trotzdem: Herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Abitur!!) Dann aber spürte ich den Widerstand in poetischer Form und würde nun sagen: Soundästhetik, Rhythmus, Dekonstruktion des "Klassischen" durch kreativen Impulsdurchbruch. Hochsensible, existentielle Alltagslyrik. Sehr berührt hat mich das "Aufgefangenen in der Sprache, genauer im Gedicht", das als dunkelroter Rinnsal durch das bildgewaltige "Abrechnungsmassaker" tropft! Bravo ! Note 1 , setzen ! 😇

mes compliments

dio
 
Hey dio,

ein Kommentar wie ein literarischer Rave in der Kathedrale meiner Restwürde, danke dir! Du hast es ziemlich gut auf den Punkt geschliffen: das Ding ist irgendwo zwischen verbalem Kopfsprung und stilistischem Trotzbeben entstanden. Und ja, du darfst mich gern bei Soundästhetik kitzeln, während ich mit einem existenziellen Stirnrunzeln die Banalität des Schulabschlusses betrachte. (Danke trotzdem für die Glückwünsche, ich hab’s mit Improvisation geschafft.)

Deine „dunkelroten Rinnsale“ treffen meine Stimmung so präzise, dass ich fast aufpassen muss, nicht in sie reinzusteigen. Und wenn das Ganze bei dir wirklich wie ein poetisches Manifest klang, dann... tja. Dann war mein innerer Teenager wohl lauter als gedacht.
Danke für deine Worte, deinen Blick, und die Note, die mein Abi fast schöner macht.

LG
evermore
 

Klimes Themen
Lieber evermore,
Ich gestehe ich habe nicht nur dein Meisterwerk gern gelesen, natürlich wieder 👏👏👏 !
Sondern auch die Meinungen der anderen Meister, die da waren ausgesprochen interessant !
Komme von daher schon zum Schluss, es gibt nichts hinzu zufügen was hier schon ausführlich philosophiert 👌 !
Liebe Grüße Klime
 
Hi @evermore

Chapeau! Nicht nur dein Werk ist wieder mal ordentlich gelungen sondern auch aus den Kommentaren spricht gewaltiger Wortwitz, welcher sich herrlich verdauen lässt... wie der Hund seinen Knochen nach erfolgter Nagearbeit!
Danke für die frischen Gedankengebäude in meinem, Kopf...

Liebe Grüße, Dieter
 
  • Dieter
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