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Feedback jeder Art Gedanken im Bus

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  • evermore
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Vielleicht ist es so wie, wenn ich im bus sitze und meine Playlist mit all dem Liedern nicht mehr hören kann, weil ich sie die letzten drei Wochen schon gehört habe.
Vielleicht ist es auch so mit dir.
Vielleicht kann ich nicht mehr mit dir, weil ich die letzten drei Wochen schon mit dir unterwegs war und jetzt etwas neues brauche.
Vielleicht sind diese Worte hässlich. Vielleicht ist dieser Vergleich auch nicht ganz gerecht. Aber es ist irgendwie wahr.
 
Hey @Xoxorr17

Die Metapher ist alltagsnah, das gestehe ich ihr zu, und zugleich unbeabsichtigt präzise in ihrer Grausamkeit. Die austauschbare Playlist als Bild für zwischenmenschliche Verbundenheit: utilitaristisch, konsumiert, erschöpft. Der Bus fährt, die Musik läuft, der Mensch sitzt. Die Beziehung? Ein Track, der irgendwann „skippable“ wird. Vielleicht ist das nicht nur „hässlich“, wie der Text meint, sondern einfach ehrlich, aber in einer Weise, die man sich selbst nur flüstert, weil man sich nicht beim Denken erwischen will.

Ich sehe hier weniger ein Gedicht als eine Stimmungsnotiz – Tagebucheintrag mit poetischem Anstrich, etwas prosaisch. Es behauptet, sich für seine Sprache zu schämen („vielleicht ist dieser Vergleich nicht gerecht“) und nutzt sie dennoch, was eine interessante Spannung aufwirft: eine Poetik der Ausrede. Was gesagt werden will, wird gesagt – aber man entschuldigt sich prophylaktisch dafür, weil Wahrheit eben unhöflich ist.

Was dieses Gedicht (oder eher Stimmungsnotiz) meiner Meinung nach seziert, ist der gelebte Nihilismus unserer Beziehungskultur unter spätkapitalistischen Vorzeichen: Affekte als Ware, Nähe als Produktlebenszyklus. Das Subjekt wird Playlist-Kurator seiner eigenen Emotionalität, durchdrungen vom Zwang zur ständigen Neuerfindung, nicht aus innerem Wachstum, sondern aus Angst vor Stagnation, vor Langeweile, vor Bedeutungsverlust im selvstoptimierten Selbst.

Liebe wird verwertet, nicht gestaltet. Erlebnis ersetzt Entwicklung. Und sobald das Gefühl nicht mehr euphorisiert, sondern nur noch existiert, wird es als defizitär betrachtet – und entsorgt

Insgesamt: Das Gedicht tut weh, aber nicht, weil es groß ist, sondern weil es klein denkt und dabei trifft. Es beschreibt Liebe nicht als Versprechensondern als Algorithmus: Sobald der Song zur ennui affectif wird, weiter zur nächsten Empfehlung.


Einen angenehmen Abend, obwohl, wohl eher Nacht,

evermore


PS.: Auch wenn es teilweise passt... wenn jede Metapher mit vielleicht eingeleitet wird, bleibt am Ende kein Bild, sondern nur Echo.
 
  • evermore
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