Liebe Eiselfe,
Schlaflosigkeit, wie ich das kenne, wenn mich mein eifriger Nachbar wieder mit seinem Insektenspray aus dem Schlaf reißt, weil das Zeug in meine Wohnung gelangt. Dann liege ich und liege, versuche ein Buch zu lesen in meiner Wut über den Scheißkerl über mir, um müde zu werden - aber meist nicht mit Erfolg. Nein, Sterne zähle ich nicht, die Beleuchtung der Straße ist zu stark, und der Mond steht seltsamerweise immer hinter dem Haus, ich bin auch keine Romantikerin. Und dann stehe ich in meiner Wut auf, sehe auf die Uhr und erschrecke, weil es noch mitten in der Nacht ist. Und dann sage ich mir zu meiner Beruhigung, die Wissenschaft hat festgestellt, der alte Mensch braucht weniger Schlaf als ein junger, aber bei mir klappt es mit der Wissenschaft nicht immer, und ich könnte dem Kerl dann am liebsten eine runterhauen. Ich bin nämlich ohne meinen Nachbarn eine gute Schläferin. Dass es dir da ganz anders geht, kann ich nachfühlen, im Bett zu liegen und nicht schlafen zu können ist eine Qual. Und man muss die Quälerei mit sich allein abmachen. Das ist schon ein Elend. Aber besser, als Schlaftabletten zu nehmen, die machen so abhängig, dass es sehr schwer ist, davon wieder wegzukommen. Weißt du sicher, und da liegst du nachts lieber mit offenen Augen und zählst Sterne. Was hältst du eigentlich von autogenem Training? Ich habe es gemacht mit gutem Erfolg, was natürlich die Wut über meinen rücksichtslosen Nachbarn keinesfalls verkleinert.
Aber zu deinem Gedicht:
In der ersten Zeile würde ich auf den Einschub "wenn alles schläft" verzichten, weil du ja nicht weißt, ob nun wirklich alles schläft. Manche Leute haben nämlich gerade nachts Großes vor. Ob "beginnt meine Zeit" wirklich nötig ist, wäre eine Frage, denn du erklärst sie ja in der nächsten Zeile. Ich mach dir mal einen Vorschlag, wie du das noch weiter kürzen kannst:
Nachts liege ich
mit offenen Augen und warte
auf das Morgengrauen.
Da wäre alles, was die "Kunst" ausmachen soll, raus. Dass dein Ich nicht schlafen kann, ergibt sich aus den offenen Augen, außerdem sagst du das noch einmal im Hauptteil. Nach dieser Einleitung passt ganz gut eine Leerzeile.
Der Hauptteil:
Im Hauptteil schreibst du, du hättest es "gelernt", mit dem Mond zu sprechen usw. Wie meinst du das? Hat dir das ein Arzt gesagt oder hast du eine Therapie gegen Schlaflosigkeit gemacht oder bist du von selbst darauf gekommen? Wie wäre es, wenn du einfach schreibst:
Ich spreche mit dem Mond (das kannst du ausbauen, worüber du mit ihm sprichst)
und zähle die Sterne. (Erinnert ein bisschen ans Schäfchenzählen, auch das kannst du ausbauen, deine Verwunderung z. B. dass es so viele sind oder dass sie so weit weg sind, so unzählbar viele, und dass sie von deiner Schlaflosigkeit nichts wissen - irgendwas in dieser Richtung)
Regentropfen prasseln ans Fenster (hier könntest du einen Vergleich einsetzen oder sogar eine Metapher)
Den Gesang der Vögel kannst du auf den beginnenden Tag beziehen. Amseln zum Beispiel singen bereits, wenn es noch dunkel ist.
Die letzten beiden Zeilen sind nicht wirklich nötig, sie haben so ein bisschen was von "Was lernt uns das?" Außerdem nimmst du damit das leicht Larmoyante heraus (sie fordern das Mitleid des Lesers heraus, das brauchst du nicht) und betonst indirekt somit, dass die schlaflosen Nächte deine Normalität sind. Die letzte Zeile ist überflüssig, weil du in der Einleitung bereits von "nachts", d. h. jede Nacht, sprichst. Da weiß der Leser bereits, dass es deinem Ich jede Nacht so geht.
Wie gesagt, alles nur ein Vorschlag, ob er aber einleuchtender ist als dein Text, musst du entscheiden.
Angelika