Hallo
@Klime , guten Morgen.
Mit dem Durchstarten geht es recht ruckelnd voran. Seit meiner Entlassung aus der Reha-Klinik mache ich nur langsam Fortschritte und ich muss leider davon ausgehen, dass meine Motorik nie wieder "rund läuft". Ich erinnere mich:
Nach meinem Schlaganfall im vergangenen Oktober habe ich ein paar Wochen nur liegend im Bett verbracht, mit allen unschönen Begleiterscheinungen, man hat schließlich immer Stoffwechsel, man muss gewaschen werden, ... Zuerst lernte ich dann wieder das Aufrichten im Bett, um im Sitzen essen zu können. Dann folgte die Zeit, als mich Pfleger und Schwestern früh morgens in einen Rollstuhl gesetzt haben, damit ich zu Therapien gerollt werden konnte, die nicht direkt im Krankenbett stattfinden konnten. Dann hatte ich wochenlang eine Therapeutin, die mir früh zum Aufstehen beim Waschen, Duschen, Zähneputzen und Anziehen zur Hand ging. Das wollte ich nach einer Weile unbedingt loswerden und lernte mit viel Geduld und etlichen Stürzen im Badezimmer oder vor meinem Bett, mich wieder selbst zu bemutteln. Allein zu lernen, dass der Rolli gebremst sein muss, wenn ich aus ihm aufstehen will! Mehrmals rollte das Ding beim Aufstehen los, und vor Schreck saß ich plötzlich neben dem Klo, statt darauf. Die Seelenruhe der Schwestern und Pfleger, die mich wieder aufgesammelt haben, wenn ich in dem kleinen Raum hilflos auf den Fliesen lag, rettete mich mehrmals davor, nicht vor Scham im Boden zu versinken. Ich bin ihnen hoffentlich in Demut ewig dankbar dafür.
Bald galt ich als einer der selbständigsten unter den schweren Fällen, und ich denke, diese Selbständigkeit hat dem Personal auf Station wenigstens ein bisschen Arbeit abgenommen.
Ein Tag des Glücks für mich kam dann, als ich nicht mehr auf Station essen musste, sondern zu den Mahlzeiten in den großen Speisesaal fahren durfte. Selbständig. Im Rolli. Endlich am Buffet frei auswählen dürfen, worauf ich Appetit habe. Die Saalmitarbeiterinnen schwebten engelsgleich auf mich zu, wenn ich mich näherte, um mir Brötchen aufzuschneiden, um mir all meine Wünsche zusammenzutragen und zum Tisch zu bringen - es war an manchen Tagen himmlisch.
Die Mobilisierung lief erst gut an, kurz vor Weihnachten'24 machte ich erste freie Schritte ohne Hilfsmittel. Dann kam eine lange Zeit ohne Physiotherapie. Weihnachtsurlaub, Jahreswechsel, Resturlaubstage, Grippewelle ... ständig fehlten Therapeut*innen, der Betrieb kam fast zum Stillstand. Und ich leider auch. Als mein Gehtraining wieder lief, stellte sich bald heraus, dass ich das Erlernte wieder verloren hatte und sich Blockaden gebildet hatten, deren Überwindung mir nicht gelingen wollte. Also wurde ich im Frühjahr entlassen, ohne mein Therapieziel erreicht zu haben. Ich wollte aufrecht gehend die Klinik verlassen, aber saß letztlich doch im Rolli. Wie es zuhause gehen sollte, bei all unseren Stufen und schmalen Türen und unebenen Fußböden - wir wohnen Mitte 19. Jahrhundert - das war ein Rätsel. Nur ich grinste still in mich hinein, weil ich sehr davon überzeugt war, dass ich zuhause schnell lernen werde, wenigstens am Stock sicher durchs Haus zu kommen. Und so kam es. Ich humpele relativ sicher durch die Räume oder auch mal in den Garten, ich kann mir selbst Kaffee zubereiten, brauche nur gewisse Hilfen bei der Vorbereitung der Mahlzeiten - es läuft. Ich könnte nicht allein wohnen, das weiß ich. Aber meine Familie trägt und erträgt mich heldenhaft. Und gegen die depressive Grundstimmung nehme ich einen sanften Stimmungsaufheller.
Als nächstes größeres Ziel träume ich von einem E-Trike, um mehr Bewegung zu haben und Strecken selbst zurücklegen zu können, die mir das Mitleben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Und ich will mein Antiquariat wieder betreiben. Ganz ohne eigenes Geld zu leben, ist auf Dauer sehr seltsam.
Klime, über so etwas Privates zu schreiben, fällt mir nicht besonders schwer. Machen wir das hier nicht fast alle?
Das LI ist in hohem Maße identisch mit den Autor*innenpersönlichkeiten, kaum jemand schreibt fiktional oder abstrakt. Es ist viel selbsttherapeutisches Schreiben oder tagebuchartig, wie ich es zunehmend probiere. Und das ist ja auch in Ordnung.