Lieber Holger,
hier gefällt mir vor allem deine Bildsprache. Ich finde es ein spannendes Phänomen, dass manche Zimmer schwer wirken. Es ist wohl das eigene Unwohlsein, dass man beim Betreten in sich spürt und dann im Raum wahrzunehmen meint.
Allein das Wort Zeitvertreib finde ich immer spannend. Eigentlich finde ich den englischen Ausdruck "to
kill time" noch sprechender, aber Zeit zu vertreiben bzw. zu verscheuchen ist ja eigentlich auch ein Tod auf Raten.
In Strophe 2 mag ich die Kombination aus dem Hinaustreten, das sich durch das Herausscheinen ankündigt. Das ist eine befreiende Bewegung, die man zurecht als groß und weit beschreiben kann. (Über das Wort "Weite" fange ich hier besser gar nicht erst an). Auch gefällt mir das Tuch, mit dem "sie" bildlich - und in der Wirklichkeit ja auch wörtlich - ihr Inneres verstecken, in diesem Fall eben die Traurigkeit.
Das verirrte Kind ist natürlich ein rührendes Bild und eines, das mir auch oft durch den Kopf geht. Oft kommt es mir vor, als seien wir Menschen ahnungslose Kinder - voller Leben zwar, aber eigentlich noch überfordert mit der Aufgabe, für uns und unsere Umwelt zu sorgen, verwirrt und orientierungslos. Schön an deinem Gedicht ist aber, dass es "draußen" eben nicht nur Orientierungslosigkeit und Verwirrung gibt, sondern auch das geliebte, streichelnde Erbe.
Ich würde das Erbe nicht mit einem Anspruch hin Verbindung bringen, sondern mit einer Verantwortung. Das Erbe könnte die Schönheit unserer Welt sein, die es nach dem großen Ahnen (eine Erkenntnis?) zu erhalten und zu bewunder gilt. Das Erbe könnte das Wohlergehen der anderen, verirrten Kinder sein, die es anzuleiten gilt, nach dem Hinaustreten in die Weite. (Höhlengleichnis lässt grüßen, hoffen wir nur auf ein besseres Ende
)
Das Erbe wird in die Hände des Kindes gelegt werden, aber eigentlich weiß es noch nicht, was es ist oder was damit zu tun ist. Trotzdem ist es nichts Bedrohliches, sonst würde es nicht liebend danach Ausschau halten.
Das würde dann vielleicht auch zum bittenden Verzeihen in S2Z4 passen? Soll hier die Orientierungslosigkeit, das Kindhafte verziehen werden? Das ist ehrlich gesagt das Bild, mit dem ich am wenigsten Anfangen kann.
Edit: Ich sehe, dass du, während ich schrieb, auf Perry geantwortet hast. Da bin ich aber froh, dass ich das noch nicht gesehen hatte. So konnte ich noch ein wenig selbst herumdeuten.
Die psychologische Ebene macht natürlich auch Sinn. Nur finde ich dann das Wort "verirrt" doch verwirrend. Denn was du damit doch meinst, ist dass ein Mensch in den Schoß der Natur zurück findet? Ist es nicht eher ein Finden als ein Verirren?