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Feedback jeder Art Triptychon: Im Innern der Wege

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  • Wilde Rose
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Zur mythologischen Grundlage:

Dieses Triptychon greift Motive der griechischen Sage
von Theseus und dem Minotaurus auf.
Theseus tötet das Ungeheuer im Labyrinth von Kreta –
mithilfe von Ariadne, die ihm einen Faden gibt, um wieder herauszufinden.
Doch nach dem Sieg verlässt er sie.

Die drei Stimmen – Theseus, Ariadne und das Labyrinth – erzählen diese Geschichte neu:
Nicht als Heldensaga, sondern als inneren Weg durch Zweifel, Verlust und Erkenntnis.


I. Theseus – Der Suchende

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Ich trage den Namen
wie eine Rüstung.
Held
hieß es,
doch ich irrte
durch Hallen aus Zweifel.

Sie reichte mir
den Faden,
als ob es Hoffnung gäbe.
Ich nahm ihn –
nicht aus Liebe,
nur aus Not.

Ich ging
immer tiefer.
Der Schatten kam näher.
Ich nannte ihn Monster –
und war es selbst.

Ich habe gesiegt,
sagten sie.
Aber ich verließ sie
am Morgen
eines neuen Anfangs.

Der Faden?
Er liegt
in meiner Hand –
gerissen,
wie ihr Blick.


II. Ariadne – Die Zurückgelassene

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Ich wartete
nicht auf Ruhm.
Ich wartete
auf ein Zeichen.
Einen Blick zurück.

Er nahm
was ich ihm gab:
Faden, Herz, Vertrauen.
Doch die Insel,
auf der ich blieb,
sprach keine Sprache
für den Schmerz.

Der Wind
trägt Geschichten von ihm,
doch nie
kommt ein Wort
zu mir zurück.

Ich spinne
neue Fäden –
nicht für Helden,
sondern für jene,
die bleiben
und nicht
vergehen.

In meinem Schweigen
liegt das Muster
des Auswegs.
Aber niemand
fragt mich danach.


III. Das Labyrinth – Die Stimme der Tiefe

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Ich bin
kein Feind.
Ich bin Erinnerung.
Struktur
für das,
was ihr nicht sehen wollt.

In mir
verliert ihr
nicht die Richtung –
ihr findet nur
die Wahrheit.

Meine Wände
sind aus euch gebaut.
Ich wiederhole
was ihr nicht hören wollt.

Diese Stille
gehört euch.
Der Schatten
ist kein Tier –
er ist das,
was ihr im Licht
verdrängt.

Ich bin
kein Gefängnis.
Ich bin der Ort,
an dem ihr
euch selbst begegnet.

Nur wer liebt,
nicht flieht,
trägt den Faden
ins Freie.



Bilder von Wikimedia Commons
 
Lieber Driekes,

deine Worte sind immer so wohlgesetzt, dass ich jedesmal eine ganze Weile brauche, bis sich bei mir die Worte für einen dieses würdigenden Kommentar einstellen. 🙂
Es ist interessant für mich, aus welchen Sichtwinkeln man solch eine Sage neu betrachten kann. Wohlformuliert gibst du hier einen Blick auf die Gedanken der drei Beteiligten frei. Sehr anschaulich auch, was so im Inneren eines Labyrinths vor sich gehen kann.

Sehr gern gelesen
LG Wilde Rose
 
Liebe

Wilde Rose,​


vielen Dank für deine einfühlsame Rückmeldung.
Es freut mich sehr, dass du dich auf diese drei Perspektiven eingelassen hast.
Mythische Geschichten bieten ja immer neue Blickwinkel, und es ist spannend
zu sehen, wie sie sich mit jeder neuen Lesart anders entfalten. Besonders bei solchen alten Erzählungen gibt es so viele Schichten, die sich je nach Perspektive immer wieder neu zeigen.

Dieses Triptychon ist übrigens ein kleiner Teil eines größeren Projekts – „Im Innern der Wege – Ein lyrischer Zyklus in zwölf Stimmen“, an dem ich gerade arbeite.
Die verschiedenen Blickwinkel auf die mythischen Gestalten sind dabei ein zentrales Thema.

Ich schätze deinen Blick und dein Mitlesen sehr.

Hier mal, als Beispiel, den Prolog (noch als Entwurf) zum "Im Inneren der Wege"


Prolog

Chor der Zeit


Eine mythische Instanz, zeitlos und wissend, eröffnet den Zyklus. Sie steht außerhalb der Figuren, jenseits von Raum und Handlung, und rahmt das Geschehen ein.

Wir sind die Stille
zwischen zwei Schritten.

Wir sind der Staub
in den Gängen der Jahre.

Wir wissen,
wohin ihr geht,
bevor ihr euch
entscheidet.

Namen sind Masken.
Wege wiederholen sich.
Doch jeder Schritt
brennt neu.

Wer in das Labyrinth tritt,
sucht nicht nur den Ausgang –
sondern sich selbst
in der Mitte.

Der Faden
ist immer da.
Aber nicht
für jeden sichtbar.

Erinnert euch:
Nicht jedes Monster
hat Hörner.
Nicht jede Heldentat
ist Befreiung.
Nicht jede Rettung
führt ans Licht.

Der Anfang beginnt
wo jemand fragt:
"Bin ich der,
für den ich mich halte?"


Herzliche Grüße,
Driekes
 
Lieber Driekes,

vielen Dank für die Vorschau auf dein neues Stück. Das liest sich schon sehr vielversprechend. Ich wünsche dir maximalen Erfolg dabei, dass es gelingt, dein Inneres (deine Gedanken) in Worten nach außen zu tragen.

LG Wilde Rose
 
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