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Feedback jeder Art Was die Küche mir erzählt

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Was die Küche mir erzählt
über Rundes, Gelungenes, vielleicht.


Der Tisch ist rund. Wie auch der Brunnen.
Rund wird das Brot, wenn du bäckst.

Kugelrunde Bäuche in gespannter Haut –
Stationen eines unsichtbaren Pfades durch die Zeit,
verästelt, verzweigt, verworren.

Ein Kind kommt gelaufen, auf noch unsicheren Beinen.
Ihm gefällt der bunte Ball, sein Springen, sein Rollen.
Und nach dem Spiel im Garten tritt es herein
und findet einen Platz am runden Tisch.

So ziehen meine Gedanken Kreise bis tief in die Nacht,
suchen flüsternd mit den Dingen und Erinnerungen nach den Resten meiner Poesie.
 
„Der Tisch ist rund. Wie auch der Brunnen.“

Die erste Zeile klingt wie eine Kinderbuchzeile, ja – aber schaut man genauer: Es ist eine räumlich kodierte Metapher von Fülle und Tiefe. Der Tisch – Ort des Teilens. Der Brunnen – Ort des Schöpfens. Beide rund. Beide kreisend um ein Zentrum, das nie definiert, sondern nur benutzt wird. Ein Weltbild ohne Ecken. Formale Friedfertigkeit. Metaphysik im Teig.


„Kugelrunde Bäuche in gespannter Haut“

Man spürt: Hier ist der Körper nicht Dekor, sondern Allegorie. Die Kugel ist wieder da, diesmal verkörpert, fleischlich, organisch. Der Bauch als Zeitbehälter. Das Gedicht mäandert zwischen Mikrokosmos und Urtyp.


Es kulminiert in einem seltsam unschuldigen Moment: „Ein Kind kommt gelaufen... ihm gefällt der bunte Ball.“

Hier wird das Runde zur Rückkopplung: Ball ↔ Kind ↔ Spiel ↔ Rückkehr. Das Spiel als performative Philosophie der Wiederholung.

Aber! Achtung: Diese kindliche Idylle ist kein Endpunkt. Sie ist Interpunktion. Ein semantischer Spiegelstrich, bevor das Gedicht sich aus der Szene zurückzieht in den Raum der Reflexion.


„So ziehen meine Gedanken Kreise bis tief in die Nacht...“

Und da ist er wieder, der Kreis. Diesmal nicht geformt mit Händen, sondern mit Denken. Es ist die geistige Fortsetzung des Teigknetens – nur ohne Mehl, nur mit Erinnerung. Das lyrische Ich wird zur inneren Küche, zum Gedankenkörper.


Und dann dieser letzte Satz:
„...nach den Resten meiner Poesie.“

Das ist kein Verlustgestus. Das ist kein „Ich hab's verloren“ – das ist archäologische Lyrik. Grabung in eigenen Sedimenten.


Ich liebe das:
Sprache ist hier nicht nur Medium, sondern Membran.
Sie wölbt sich über das Runde, über das Zeitliche, über das Menschliche – und bleibt dabei so mild, dass sie fast schweigt. Fast.

Ein Gedicht wie ein Lächeln, das von sehr weit her kommt. Ein Kreisgedanke, in dem nichts erklärt, aber alles gespürt wird. Ich wünsche mir, es gäbe dafür ein Wort. Vielleicht Tafelzeit. Oder Kreisgrammatik. Oder einfach: Danke.

Gerne gelesen,
evermore
 
  • Vogelflug
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