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Feedback jeder Art Gedanken vorm Einschlafen

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Ein Grabstein
 
 
In der Wand neben meinem Bett ein Grabstein.
Alt, kaum lesbar die Daten.
Neunzehntes Jahrhundert.
Mit Mühe entziffere ich den Namen,
seinen ersten und seinen letzten Tag.
Dass er Anspänner war,
und dass er ein guter Vater und
geliebter Mann gewesen sei.
Über diese Gedanken schlafe ich ein.
 
 
 
 
Hallo Vogelflug,
 
Das Szenario macht schon neugierig: Wie kommt das Bett neben den Grabstein, bzw. der Grabstein neben das Bett?
Oder ist das irgendwo normal?
Seltsam. Aber interessant.
 
Gruß: Uwe
 
 
 
 
Hallo Uwe.
Bei mir ist das normal.
Ich wohne in einem Recyclinghaus.
Alles - nein - viele alte Baumaterialien und Kram, was irgendwie gepasst hat. Alte Steine, alte
Balken, alte Dielen, alte Fenster, alte Türen. Unebene Lehmwände. Knarzen. Wind pfeift manch-
mal durchs Haus. Jemand sagte schon mal, bei uns fühle er sich wie auf einer Burg.
 
Der Grabstein fand sich in der Scheune. Wenn Friedhofsverwaltungen eine Grabstelle einebnen,
versuchen sie meist erst mal Angehörige zu finden, die das "Denkmal" beseitigen. Und was soll
man mit so einem Ding? Erst mal zuhause in irgend eine Ecke. Dort liegt oder steht es erst mal,
bis der Hof verkauft wird.
Als wir dann sanierten / umbauten, haben wir allem, was irgendwie zu verwenden war, ein
neues Leben gegeben. Dem Stein auch. Sieht schön aus. Grauweiß inmitten rotbunter Ziegel.
Den meisten fällt es gar nicht auf, wenn sie den Stein in der Küche sehen. Auf der anderen
Wandseite ist mein Zimmer. Und da kann ich die Lebensdaten lesen, wenn ich mir viel Mühe
gebe. Seltsam? Vielleicht. Aber ich habe schlicht einen etwas morbiden Lebenshumor. Bin kein
Grufti oder so.
 
Gruß zurück
von Vogelflug
 
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@Vogelflug Hallo, schön wieder von dir zu lesen.  Was träumt Familie "Vogelflug" mit einem Friedhofsrelikt? 
Ein Recyclinghaus/alter Bauernhof? - das hat was. Und du kannst wohl handwerklich wie poetisch so einiges. 
Aber ein Grabstein für Kueche und Schlafzimmer?  Seid ihr Briten mit dem typischen schwarzen Humor? 
Meine chinesische Frau würde nie auf einem ehemaligen Friedhofsgelände oder in der Naehe noch bestehender Grabstätten wohnen und seien dort Miete/Kaufpreis auch noch so niedrig.
Muss es nicht eventuell eher heissen: Ueber dieseN Gedanken schlief ich ein? LG Stephan
 
Hallo @Vogelflug,
 
die Idee alles Gefundene wieder zu verwenden ist toll
und so ein Grabstein ist ein enormer Schatz und Zeitzeuge.
Diesen Zeitzeugen hast du in gut nachvollziehbare Verse verewigt
und ich glaube, dass ich mich nicht satt sehen könnte an den Schriftzügen auf dem Stein.
 
Ich kenne eine Frau, die den Grabstein ihres Mannes auch zu Hause hat.
 
MfG
Monolith
 
 
 
Hallo Stephan,
also wichtig ist erst mal, dass ich in dem Text von mir erzähle, Familie spielt da keine Rolle.
Aber aus meinen vorherigen Schilderungen geht sicher hervor, dass der Stein vor allem Material
ist. Erst mal zum Bauen, dann, okay, auch als Anregung, auf nichtalltägliche Gedanken zu kommen.
Aber die Tatsache, dass es ein Grabstein ist, bringt in mir keinerlei morbide Gefühle oder Ansichten
hoch. Der Stein ist Stein. Da er ein paar Informationen beinhaltet, ist er eher mit einem Buch vergleichbar,
als mit einem Leichentuch oder ähnlichem. Insofern bedarf es keines britischen Humors, um ihn in eine
Wand zu integrieren. Maximal etwas Mut und Nerven, sich den unverständigen Nachfragen von Gästen
zu stellen. Ich sehe ein, dass es aus dem Rahmen normaler / gewohnter Raumgestaltung fällt, aber es
gibt für mich keinen Grund, auf einen schönen Gegenstand zu verzichten, wenn er nun mal da ist.
Alles weitere sind Mutmaßungen, die an der Realität abperlen.
Ich weiß natürlich, dass in vielen Kulturen der Tod mit heftigen Tabus verbunden ist. Die traditionellen
Navajo haben Häuser, in denen jemand gestorben ist, danach verbrannt - aus Furcht vor bösen Geistern.
Dass viele nicht in der unmittelbaren Nähe von Friedhöfen wohnen wollen, ist mir auch bekannt, und
ich kann das Unbehagen auch verstehen, wenngleich ich es nicht empfinde. Da bin ich eher der
mexikanischen Kultur des Umgangs mit Verstorbenen zugeneigt.
Oft denke ich auch, nach so vielen Jahrtausenden Menschheitsgeschichte wird es kaum einen bewohn-
baren Platz auf der Welt geben, an dem nicht auch irgendwann Verstorbene begraben wurden oder
einfach zu Staub zerfallen sind.
Es liegt kein tieferer Sinn oder schwarzer Humor in meinem Stein, als das. Anregendes Material.
 
Danke fürs Lesen und Nachfragen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
die Idee alles Gefundene wieder zu verwenden ist toll


und so ein Grabstein ist ein enormer Schatz und Zeitzeuge.


Diesen Zeitzeugen hast du in gut nachvollziehbare Verse verewigt


und ich glaube, dass ich mich nicht satt sehen könnte an den Schriftzügen auf dem Stein.


 


Ich kenne eine Frau, die den Grabstein ihres Mannes auch zu Hause hat.


 


MfG


Monolith
 
Dir auch danke fürs Lesen, monolith.
 
Schön, wenn man mit jemandem die stille Faszination teilen kann.
 
Zeitzeuge ist so ein Stichwort. Es treibt zu gewissen Fragen: Wer bist du, was hast du erlebt, wer hat dich behauen, für wen bist du errichtet worden, was kennzeichnete die alltägliche Geräuschkulisse, als du gestaltet und errichtet wurdest, was hast du gekostet, mussten sich die Auftraggeber dafür verschulden, wie sahst du frisch fertig aus ... und letztendlich: stimmt das, was auf dir geschrieben steht, war er ein liebender Vater und Ehemann, wie ging er mit seinen Pferden um? Pfiff er im Stall? Trank er abends im Wirtshaus zu viel und schlug dann die geliebte Familie aus lauter Unglück über den Standesunterschied zum Dorfbürgermeister?
 
Und wenn es kein Grabstein ist, der solche Gedanken ins Sprechen bringt, dann ist es vielleicht ein altes Küchentuch - handgewebt mit Initialen ...
 
 
Übrigens soll es gar nicht so selten sein, dass Menschen die Urne mit der Asche eines geliebten Angehörigen im Wohnzimmer stehen haben.
 
 
Schönen Sonntag und überhaupt
wünscht Vogelflug
 
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