O Apollon du verlogener, listiger Lüsterer
lass doch Dionysos schnarchen und träumen
in seinem Hain mit den trunkenen, lachenden Bäumen
Du denkst noch von dir du seiest ein schüchterner
Retter, den die Weiber wie Meerschaum umsäumen
und bist doch ein ängstlich-verderbender Flüsterer
auf der ewigen Flucht vor dem Spruch der Moiren
wie ich, der ich mich an den Lastern berausche
Nun lass uns dem Schicksal Kassandras lauschen
die ja auch allein dich lieben sollte
und wollte dich nicht, wie Daphne nicht wollte
und was machst DU mit der verängstigten Schönen
sie erst mit der Sehergabe verwöhnen
nur um sie sogleich damit zu verhöhnen
daß niemand ihr jemals glauben kann
Hier, nimm den Kelch und lausch meinem Gesang:
In dem Tempel der Nacht, an die Mauer gepresst
zittert die Seherin
kindlich, wahrhaftig
das Kleid, das schneeweiße,
durchnäßt von Ängsten, Gesichten, Geschichten
und fleht um ein endlich klares Licht
unterwirft sich schluchzend des Apollon Gericht
zwischen allem Vergehenden
längst Angesehenen
ist da nicht einer, der endlich spricht:
wahrhaftig
ich rette
dich?
Der sie einhüllen könnte in sein schützendes Licht
Das Licht der Weisheit, in Apollons Licht ?
Ach nein, sie ist allein mit dem Schatten, der sich nähert
Der Schatten, der sich von Schatten nährt
Der Schatten, der umso größer ist,
je größer
das Licht
Von seinem aufgezwungenem
Licht
wird ihr schlecht
Was ist noch echt, was ist gerecht ?
Dieser Schrei, ist er
ein Schrei, der ihr entfährt ?
Des Schatten Schrei, der sie verzehrt ?
Wie Apollons heiliges Feuer
greift das Ungeheuer
lodernd nach dem schneeweißen Kleid
Ajax der Lokrer
Wird zu Ajax: Besudeler
All die Weiber, die Apollon verachteten
stürzt auch Kassandra in seinen Rachen ?
Den Gott der Weisheit, wer kann ihn verlachen ?
Wenn nicht ich Dionysos,
Kassandras Zufluchtsort
vor Ajax apollonischem Feinsinn
Flieh, Kind, in den dionysischen
Wahnsinn
Geschwind
Du hast mein Wort
Dein Wahnsinn wird blind sein
Kein Gott wird dich finden
Ganz allein
wirst du sein
ganz allein dein
Frieden

Solomon Joseph Solomon „Ajax und Cassandra“ 1896
lass doch Dionysos schnarchen und träumen
in seinem Hain mit den trunkenen, lachenden Bäumen
Du denkst noch von dir du seiest ein schüchterner
Retter, den die Weiber wie Meerschaum umsäumen
und bist doch ein ängstlich-verderbender Flüsterer
auf der ewigen Flucht vor dem Spruch der Moiren
wie ich, der ich mich an den Lastern berausche
Nun lass uns dem Schicksal Kassandras lauschen
die ja auch allein dich lieben sollte
und wollte dich nicht, wie Daphne nicht wollte
und was machst DU mit der verängstigten Schönen
sie erst mit der Sehergabe verwöhnen
nur um sie sogleich damit zu verhöhnen
daß niemand ihr jemals glauben kann
Hier, nimm den Kelch und lausch meinem Gesang:
In dem Tempel der Nacht, an die Mauer gepresst
zittert die Seherin
kindlich, wahrhaftig
das Kleid, das schneeweiße,
durchnäßt von Ängsten, Gesichten, Geschichten
und fleht um ein endlich klares Licht
unterwirft sich schluchzend des Apollon Gericht
zwischen allem Vergehenden
längst Angesehenen
ist da nicht einer, der endlich spricht:
wahrhaftig
ich rette
dich?
Der sie einhüllen könnte in sein schützendes Licht
Das Licht der Weisheit, in Apollons Licht ?
Ach nein, sie ist allein mit dem Schatten, der sich nähert
Der Schatten, der sich von Schatten nährt
Der Schatten, der umso größer ist,
je größer
das Licht
Von seinem aufgezwungenem
Licht
wird ihr schlecht
Was ist noch echt, was ist gerecht ?
Dieser Schrei, ist er
ein Schrei, der ihr entfährt ?
Des Schatten Schrei, der sie verzehrt ?
Wie Apollons heiliges Feuer
greift das Ungeheuer
lodernd nach dem schneeweißen Kleid
Ajax der Lokrer
Wird zu Ajax: Besudeler
All die Weiber, die Apollon verachteten
stürzt auch Kassandra in seinen Rachen ?
Den Gott der Weisheit, wer kann ihn verlachen ?
Wenn nicht ich Dionysos,
Kassandras Zufluchtsort
vor Ajax apollonischem Feinsinn
Flieh, Kind, in den dionysischen
Wahnsinn
Geschwind
Du hast mein Wort
Dein Wahnsinn wird blind sein
Kein Gott wird dich finden
Ganz allein
wirst du sein
ganz allein dein
Frieden

Solomon Joseph Solomon „Ajax und Cassandra“ 1896