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Feedback jeder Art Alle Wege führen zum Stammtisch

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  • Jürgen
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Man ist halt wirklich nicht mehr der Jüngste, stellte ich fest als ich mit einer halben Stunde Verspätung, völlig entkräftet in meine Stammkneipe rein stürmte.
Total außer Atem, aber angekommen.
Alle schauten demonstrativ auf ihre Uhr und schüttelten den Kopf. Noch ging es ja.
Ich wusste es , dass dieses Zuspätkommen mir einige Runden Bier kosten würde und natürlich auch einige Erklärungsversuche.
Nachdem ich mit: „Dieter, bring bitte vier Bier und vier Kurze“, die grimmigen Minen meiner Stammtischbrüder wieder etwas sanfter moduliert hatte, setzte ich mich zu ihnen und konnte erst einmal verschnaufen und durchatmen.
Diese Zeit an jedem Freitag des Jahres war schließlich ein Heiligtum, welches nicht so einfach außer Kraft gesetzt werden konnte.
Es sei denn, es herrschte höhere Gewalt...
„Es war auch höhere Gewalt“, sprach ich laut, und alle schauten wie auf Kommando gen Himmel. Nein, der hatte nun wirklich nichts damit zu tun. Es war eine irdische Angelegenheit.
„Wie, warst du in Irland?“, fragte mich Klaus-Dieter sogleich. „Nicht doch, eine irdische und keine irische Angelegenheit“, versuchte ich zu erklären. Aber Zweifel waren bei Klaus-Dieter dennoch hängen geblieben.
Also, begann ich meinen Erklärungsversuch, zum Ersten bin ich ausgeraubt worden und zum Zweiten wurde ich daran gehindert, pünktlich mein Ziel zu erreichen.
„Was, du wurdest ausgeraubt?“, kam dreifach wie aus einem Mund.
„Ja und ich habe keinen einzigen Cent mehr einstecken!“ „Das tut uns wirklich leid“, kam wiederum von allen, außer von Karl-Heinz, aber der war in Geldfragen sowieso immer recht klamm. Eh’ der einen ausgab, musste man die Bohrmaschine zentriert an der Kniescheibe ansetzten und stundenlang bohren.
„Wie issn das nu passiert?“, fragte Hans-Dieter wissbegierig.
„Ganz einfach, ich kam in unsere wunderschöne Stadt rein gefahren. Dort, wo es eh am Dunkelsten war, zwang man mich anzuhalten, und ich musste alles Geld herausgeben, was ich hatte.“ „Konnteste dich nich gegen de Kerle wehrn?“, wollte Hans-Dieter wieder wissen.
„Nee, die waren zu viert und alle bewaffnet.“
„Ach so, da hattste keene enzge Chance! Die wern aber och immer skrupelloser, die Verbrecher!“
„Haste dir wenichsten den ihre Gesichter gemerkt?“
„Natürlich, diese Gesichter werde ich wohl nie vergessen!“
„Wie konnten die dich überhaupt stoppen?“, fragte Karl-Heinz „und warum hast du überhaupt angehalten?“ Jetzt wurde ich ein wenig kleinlauter.“Na ja“, stammelte ich, „die hatten so eine Kelle, wo Stop draufstand und da musste ich doch rechts ran fahren.“
„Also war es die Polizei, die dich stoppte“, bohrte Karl-Heinz weiter, denn der hatte ja nun gewittert, dass er meine Zeche nicht mit bezahlen musste. „Ja“, sagte ich noch kleinlauter, „denn ich war viel zu schnell gefahren, um pünktlich zum Stammtisch zu kommen.“
„Also alles klaro“, Dieder, „schreibe bitte meine Zeche heute an. Ich zahle sie dann am kommenden Freitag.“ „Geht klar“, sagte Dieder und fügte hinzu, „diese moderne Wegelagerei nimmt solche Ausmaße an, dass man sich schon gar nicht mehr getraut, dem Pferd so richtig die Sporen zu geben. Schade eigentlich, man baut Autos mit über zweihundert PS und kann so richtig eigentlich nur eins nutzen, sonst ist man sein Geld los.“
„Und diese Bullen hatten nicht einmal Einsicht, dass ein Mann auf dem schnellsten Wege zu seinem Stammtisch musste. Für die gibt es eben nichts Heiliges mehr auf dieser Welt.“
Alle nickten zustimmend, und der Seelenfrieden war am Stammtisch wieder hergestellt. Hans-Dieter wollte auch gleich eine Story vom letzten Freitag los werden.
„Da bin ich nu so voll wie ich war heeme gelofen. Abber am Marcht musste ich ma pinkeln. Was nu machen, des Pinkelorium war zu. Also stellte ich mich an een Boom und fing an.
Plötzlich stand so een Bulle hinter mich und sachte ‚aufhören und wegstecken.’ Den habbch abber so was von ausgetrixt und der hat das nich gemercht!“
„Was haste denn da gemacht“, wollten alle gleich wissen, auch Dieder, der gleich aus der Küche zum Stammtisch gerannt kam.
„Nu ja“, redete Hans-Dieter weiter, „weggesteckt habbchen abber offgehört habbch nich.“
Wir waren stolz auf Hans-Dieter und klopften ihm auf die Schulter. Da gehört schließlich was dazu, einen Bullen derartig zu veräppeln. Das war sogar Dieder eine Runde Freibier wert.
„Bring große“, rief ich Dieder zu, „denn am Becher erkennt man den Zecher.“
Und Karl-Heinz setzte noch einen drauf:

Freunde wie wir sitzen am Stammtisch hier,
alle lieben wir
hübsche Frauen und gutes Bier.
Bei den Bieren sind wir die Kenner,
Bei den Frauen auch nur Männer.
Um diese Kenntnis zu erreichen,
lasst uns Frauen und Bier vergleichen.


Da waren wir wieder bei unserem Lieblingsthema angelangt und steigerten uns gleich hinein.
„Wenn das Bier frisch gezapft ist, schmeckt es wirklich köstlich und wenn man zu viel davon getrunken hat, lässt man es länger stehen und quält es sich nur so rein. So ähnlich ist es auch mit den Frauen“, philosophierten wir weiter. „Was wieder einmal beweist, Bier und Frauen sind zu gleichen Teilen für die Männerwelt wichtig, sie müssen nur immer schön frisch sein!“ „Jawoll“, brüllten alle und rein damit.
Also dieses Thema wäre nun auch besprochen, aber ob die Frauen das auch so sehen, da hatte ich meine Zweifel, sprach sie aber nicht laut aus, denn da wäre ich ja gleich wieder ein Superfrauenversteher oder ein Bierwarmtrinker oder so ähnlich. Und darauf hatte ich heute wirklich keinen Bock, wollte auch nicht unbedingt einer sein.
„Aber ich wollte euch ja auch noch erzählen, wie ich des weiteren aufgehalten wurde.
Die Polizei liebt mich heute ganz besonders, darum lasse ich auch mein Auto heute hier bei Dieder stehen und werde nach Hause laufen.“ „Besser iss“, sagte er daraufhin.
„Ich war nach meiner Geschwindigkeitsübertretung sehr vorsichtig und langsam gefahren, um mir nicht schon wieder etwas ein zuhandeln. War ja auch pleite. Ich möchte aber einmal wissen was in den Köpfen unserer Superbullen so vorgeht. Fährst du zu schnell, bist du der böse Raser.
Fährst du vorsichtig und langsam, dann kannst du in ihren Augen eigentlich nur besoffen sein. Es kam also innerhalb von einer halben Stunde das zweite mal die Kelle. Wachtmeister Soundso, allgemeine Fahrzeugkontrolle, ihre Fahrzeugpapiere bitte. Für diesen Satz hat er bestimmt tagelang vor dem Spiegel gestanden und in allen Tonlagen geübt. Und er hatte ihn perfekt drauf. Es war beeindruckend, zu welch hoher Sprachleistung ein einfacher Beamter fähig war. Ich war beeindruckt, aber nur kurz. Denn dann kam die Frage.“
„Haben Sie Alkohol getrunken?“
So etwas würde ich ja nie tun, vor allem wenn ich zweihundert Meter von der Kneipe entfernt war und in diese erst rein gehen wollte. Schön blöd mich auf dem Weg zur Kneipe anzuhalten, dachte ich mir und griente. Das Grienen hatten die Verbeamteten aber falsch verstanden und sie drohten mir damit, dass es mir bald vergehen würde. So wurde ich genötigt mit zittrigen Händen das Mundstück auszupacken und mit einem Zug in sein Gerät rein zublasen, bis das Lämpchen leuchtete. Beide standen erwartungsvoll mit großen Augen da und starrten auf die Skala.
Ich betrachtete ihr Tun gelassen, denn ich wusste, ich hatte noch nichts getrunken.
Enttäuscht sagten sie mit ein wenig Wehmut in der Stimme: “Null Komma null Promille.“
„Das war das gleiche, als sie mich einmal morgens fragten: ‚Haben Sie noch Restalkohol?“
Ich antwortete dann scherzhaft und gut gelaunt, was man ja ist, wenn man früh zeitig unfreiwillig in eine Diskussion verwickelt wird: „Bitte nicht betteln meine Herren, wir haben gestern auch nichts übrig gelassen.“ Oh, das war zuviel. Die waren so etwas von sauer und wollten dann alles von mir sehen. Sanikasten, Warndreieck, Lampensortiment, Papiere und ich musste pusten, natürlich für die Herren Beamten wieder einmal erfolglos. Sorry, ich vertrage halt was!
Zum Abend zurück. Sie konnten also keine Parteienspende von mir erwarten und hatten es plötzlich sehr eilig. Neues Opfer, neues Glück, aber ich wünschte ihnen noch eine gute Dienstverrichtung, sie wünschten mir noch einen schönen Abend und verschwanden im Dunkel der Nacht.
Und genau den schönen Abend hatte ich gerade jetzt mit euch. Es war wieder weit nach Mitternacht geworden und der Gerstensaft hatte einen leichten Schleier über meine Augen gelegt. Als ich mir auf dem Heimweg die Gegend betrachtete, oder betrachtete die Gegend mich?, egal, machte ich folgende Beobachtung.


Nun sehe ich es ein, um Taucha
bewegt sich Erde und Himmel.
Das ist der einzig feste Punkt,
den ich in der Welt gefunden habe.
Wie ich nun die Welt zum ersten Mal
vom rechten Punkt betrachte,
der Schwarze und der Winneberg,
sie stolpern und sie wackeln.
Der Schwarze und der Winneberg,
diese kleinen Halunken!
Der Schwarze Berg und der Winneberg,
die haben zuviel getrunken.


Ich hoffe nur, dass diese Beobachtungen auch andere gemacht haben, denn wie stehe ich doch nach dieser Erkenntnis da, wenn es doch nur die meinige ist?
Darüber habe ich mir so den Kopf zerbrochen, dass er mir den ganzen nächsten Tag weh tat.
Das hat man nun davon, wenn man ein sehr nachdenklicher Mensch ist.


© Jürgen Rüstau
 
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