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Feedback jeder Art Am Rand des Tages

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  • Driekes
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Aus dem Triptychon "Bruder Nacht"

Am Morgen
sitzt der Tag mir zu nah.
Er riecht nach Kaffee,
nach nassen Jacken,
nach Stimmen,
die etwas von mir wollen,
bevor ich weiß,
wer ich heute bin.

Das Licht fällt nicht,
es greift.
Es zieht mir die Lider hoch,
legt mir Dinge in die Hände:
Schlüssel,
Fragen,
eine Rolle,
die schon warm ist
vom Vortag.

Auf der Straße
gehen Körper an Körper vorbei,
ohne sich zu erkennen.
Jeder trägt etwas Unsichtbares,
das schwerer ist
als Taschen oder Münder:
den Anspruch,
zu funktionieren.

Ich bleibe stehen
vor einer Scheibe.
Mein Spiegelbild
ist schärfer als nötig.
Die Augen
schon unterwegs,
der Mund
noch unentschieden.

Ich denke an die Nacht,
wie sie nichts wollte,
nur da war.
Wie sie mich hielt,
ohne mich festzulegen.

Hier dagegen
ist alles Griff.
Zeit greift nach mir,
Namen greifen,
Termine.

Ich atme
so flach,
dass es niemand merkt.
Ich trage mein Gesicht
wie einen Ausweis.

Erst am Rand des Tages,
wenn etwas Müdigkeit
die Konturen löst,
wird mein Blick wieder weich.

Nicht frei –
aber durchlässig.

Genug,
um mich zu erinnern,
dass ich mehr bin
als das,
was jetzt von mir gebraucht wird.
 
Hallo Driekes

Die Nacht lullt uns ein, hält uns in ihrem dunklen Arm geborgen, lässt uns träumen. Der Tag verlangt uns alles ab, vom müden Lächeln bis bis zur Grimasse. Er fordert, lässt uns funktionieren und fragt nicht nach unseren Bedürfnissen. Vielleicht gelingt es in kurzen Augenblicken dieser Maschine Alltag zu entschlüpfen.

Deine Bestandsaufnahme finde ich vortrefflich zusammen gestellt.
LG Teddybär 🐻
 
Moin Teddybär,

vielen Dank für deine Zeilen.
Diese Gegenüberstellung – Nacht als Schutzraum, Tag als Forderung –
ist genau der Druck, aus dem „Am Rand des Tages“ kommt.
„Maschine Alltag“ – besser kann man’s kaum sagen.
Und ich mag deinen letzten Satz: dieses kurze Entschlüpfen ist vielleicht schon genug.

LG Driekes
 
Hallo Driekes,
sich den Anforderungen des Tages zu stellen wird im Alter immer schwerer, aber man sollte sich ihnen stellen so gut es geht und sich nicht vom Vagen der Nacht einlullen lassen. Deine Wortbilder treffen die wechselnden Gefühlsmomente sehr anschaulich.
Gern in die vorgewärmte Rolle des neuen Tags geschlüpft und LG
Perry
 
Schönen guten Tag, Driekes,

vor drei Jahren habe ich mit dem Länger-Werden der Nächte in Richtung auf die Wintersonnwende
angefangen, abends kurz vor dem Anbruch der Dunkelheit in den Park zu gehen.
Auf einer Bank verweilend nahm ich wahr,
wie die Helligkeit hinwegdämmerte und allmählich die Nacht
ihre schützende Hülle ausbreitete.

Dies erzeugte in mir ein starkes Gefühl der Geborgenheit und Wärme.

Durch Deine Zeilen fühle ich mich stark daran erinnert.

Der Aktivitätspol "Tag" ist heutzutage und dies zunehmend, extrem überbetont. Das Seelische, Weiche, Bei-sich-sein-Dürfende geht immer mehr verloren. Zwar etabliert sich mit der Zeit ein zunehmender Individualismus -- dieser ist aber etwas anderes als ein Bei-sich-sein-Dürfen.

Sehr gerne gelesen

lG Danu
 
Moin Perry,

danke dir. Dass der Tag im Alter mehr fordert, unterschreibe ich sofort.
Bei der Nacht bin ich etwas weniger streng: Für mich ist sie nicht nur „Einlullen“,
sondern manchmal der einzige Ort, an dem der Kopf aufhört zu verlangen –
damit man am nächsten Tag wieder in diese Rolle schlüpfen kann.
Schön, dass du die Wortbilder als stimmig erlebt hast.

LG Driekes
 
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Liebe Danu,

danke dir sehr für diese ausführliche Rückmeldung.
Dein Ritual zur Dämmerung – kurz vor der Dunkelheit in den Park,
auf der Bank sitzen und zusehen, wie die Helligkeit langsam wegkippt –
hat etwas ungemein Stabiles. Nicht „Flucht“, eher ein stilles Einrasten:
Der Tag verliert den Griff, und die Nacht legt sich wie eine schützende Schicht darüber.

Dass dich meine Zeilen daran erinnert haben, freut mich wirklich.
Und ja: Dieser Aktivitätspol „Tag“ ist inzwischen so überdreht, dass das Weiche, Seelische,
das schlichte Bei-sich-sein oft nur noch in Restmomenten vorkommt.

Dein Hinweis auf den Unterschied zum Individualismus sitzt –
laut „ich“ ist nicht automatisch nah „bei mir“.

Schön, dass du das so gelesen hast.
Die Nacht ist kein Ausweg. Sie ist ein Gegengewicht.

LG. Driekes

@ Perry,
Sorry und Danke!🍻
Habe es korrigiert 🙂

LG Driekes
 
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