Berlin is, wenn man trotzdem lacht
Berlin is, wenn man trotzdem lacht. So sacht man dit bei uns so schön. Dit jilt besonders, wenn ick an den Verkehr auf der Straße denke. Dit is keen Verkehr mehr, dit is Krieg! Da jilt dit Jesetz des Stärkeren. Da wird jehupt, jegrölt und Vorfahrt klaun jehört zum juten Ton. Und Radio hamse natürlich immer uff elf jedreht.Ick bin Blumenkutscher. Morjens ab halb sechs fahr ick meene Blümchen vom Großlager zu den janzen Blumenjeschäften in Berlin. Da stell ick sie dann ab, da wartense uff Kundschaft. Aber bis wir da sind, da erleb ick ja so einijes.
Blinken beim Spurwechsel zum Beispiel, is een Luxus, den manche sich nich jönnen wolln. So bleibt dit Autofahren ooch viel spannender, weil de nie weeßt, wat der vor eenem als nächstes tut. Oder noch een Kalauer: Wenn ick mal nich schnell jenuch von der Ampel losschieße, dann jibt’s gleich hinter mir ‘n Huptkonzert. Ja, wat soll ick denn?! Schneller fahrn, damit ick früher an der nächsten roten Ampel stehe? Na, denkste. Ick mach janz entspannt. Ick bin ja uff Arbeit, nich auf der Flucht. Oder noch eines: Wenn ick vor der Joldelse im Stau stehe und sehe, wie sich die Autos vor mir umeinander schlängeln. Da denk ick mir, wie kann man nur so dämlich sein. Wolln die alle früher zur Arbeit, damitse sich früher die Knochen kaputt schuften könn?
Die solln sich alle mal entspannen. Anderswo is dit viel schlimmer. Ick hab mal beobachtet, wie man dit woanders so macht, bei meim letzten Türkei-Urlaub in Istanbul. Wie die da fahren… dit is keen Verkehr, dit is Kunst. Wie die da ihre drei Meter langen Karren aneinander vorbeischlängeln, ohne den anderen Autos een Kratzer zu verpassen. Ehrlich, dit is nich anjelernt, wie die da fahren. Dafür muss man jeborn sein.
Hier in Berlin is dit anders. Jestern erst ist mir so ne Flitzpiepe hinten aufjefahren. Ick glei rausjehüpft aus meener Blumenkutsche und schau mir den Schaden an. Hat der Hirni doch echt meene Hecktür verbeult. Typisch Havelländer: Hirn- und Verstandslos. Und meine Krüsanthemen? Alle umjekippt.
Na klar kam dann ooch die Blauschimmelbande anjerollt. Fracht son Knüppelkasper mich dann, ob ick denn Erste Hilfe jeleistet hätte. Klar, sach ick. Ick hab erst mal meene Blümchen aus’m Auto jeholt und sauber anner Bordsteinkante aufjstellt. Nee, meent er. Ob ick der Flitzpiepe hinter mir jeholfen hätte. Ja wat, sach ick, wat denn? Dem läuft doch nur een bisschen Berliner Schminke aus’m Riechkolben, weil er sein Ärbäk jeknutscht hat. Der sieht doch sonst taufrisch aus, sach ick. Jibt mir der Knöllchen-Heini doch glatt ne Ordnungsstrafe wejen unterlassener Hilfeleistung. Dit versteh eener. Kann man niemandem erzählen. Gloobt ooch keener. Nur meen Frauchen. Der erzähl ick abends immer, wat ick wieder so erlebt habe. Die lacht sich jedes Mal schlapp und sacht, ick soll mich mir nich so uffrejen.
Recht hat se ja. Aber wat willste machen? Wenn ick mir nich uffreje, wer soll’s denn sonst machen? Am nächsten Morjen sitz ick wieder hinterm Steuer – diesmal mit ner neuen Kutsche, jesponsert von meen Cheffe. Und kaum biste los, biste ooch schon wieder mittenmang im Wahnsinn. Links hupt eena, rechts will eena rin, vorne zieht eena raus… Dit hier is keen Verkehr, dit is Ballett uff Valium.
Ick sach dir, Berlin is wie een Beet voll Disteln – pieksen tunse alle, aber irgendwie blühnse ooch. Ick hab dann dit Radio ausjemacht und mir im Rückspiegel meene Blümchen anjekiekt. Die meckern nich, die hupen nich, die steh’n still und machen trotzdem wat her. Und da denk ick mir: Vielleicht sollt ick mir wat von denen abkieken. Einfach ma stillhalten und trotzdem blühn.