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Feedback jeder Art Christbaum loben

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  • Perry
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Irgendwann waren wir darauf gekommen: Ralf hatte ein Motorrad, eine schwere Maschine, einen zweiten Helm und eine Frau, die nicht mitfahren wollte. Ich wäre zu gern mitgefahren, wir sprachen darüber, aber es kam nie dazu. Im ersten Sommer hatte das Motorrad einen Schaden und verbrachte den Sommer zerlegt in der Garage und den Sommer darauf klappte es auch nicht. Ich sprach Ralf darauf an, aber er wich mir aus und ich hatte auch eine unerklärliche Scheu, es nochmal zu erwähnen, bis zu jenem Abend.

Einmal im Jahr sind wir bei Ralf eingeladen und obwohl wir nur dieses eine mal im Jahr auf all seine Freunde treffen, fühlen wir uns dort immer sehr wohl.
Die kleine Wohnung ist angefüllt mit Menschen in jeder Größe, das Doppelbett im engen Schlafzimmer überladen mit Jacken und Mänteln und im Flur türmen sich Taschen und Schuhe auf und unter dem altmodischen Sessel. Auch das Wohnzimmer ist nur klein, aber groß genug für eine Couch, einen langen Esstisch mit sechs Stühlen und groß genug für viele Menschen mit gefüllten Tellern und Gläsern.
Nach dem Essen gibt es einen Schnaps für jeden, der den Christbaum gelobt hat. Ich lobe den Christbaum nie, ich finde ihn zu groß, seine Äste zu breit gefächert und den Schmuck, von kindlicher Hand aufgehängt, zu kitschig. Aber ich trinke ja auch keinen Schnaps.
Mein Mann macht sich auch nichts aus Schnaps, aber es liebt es, den Christbaum zu loben. „Wo habt ihr denn den grattlingen Dinger aufgetrieben?“ tönt er jedes mal, „bestimmt hat euch der Händler noch Geld gegeben, nur um ihn los zu werden…..“
„Hosch du a Ahnung“ruft dann Ralf empört, „des isch an echter Familienbaum!“
Es mischen sich andere ein, der Disput wird laut und fröhlich ausgetragen, mit viel Schnaps begossen und Gaby, Ralfs Frau, sagt:“ Den Schmuck da unten haben meine Kinder aufgehängt, sie haben im Kindergarten….“ und es folgt eine endlose Aufzählung dessen, was die Kinder mit ihren kleinen, geschickten Fingern gebastelt haben und wie sie es aufgehängt haben und was Peter gesagt hat und auch Michaela, denn Gabys Kinder sind klug, ihr ganzer Stolz!
Die anderen Mütter in der Runde sind auch stolz auf ihre Kinder, die auch in einen Kindergarten gehen und während sie sich austauschen und ihre Männer weiterhin den Christbaum loben und Schnaps trinken, holt sich mein Mann aus der Küche den dritten Teller mit Schweinebraten, Brot und Käse und widmet sich dem Essen.
Bei jeder fünften oder sechsten Zigarette begleite ich ihn nach draußen auf den schmalen Gehweg, der zum Garten führt. Es ist bitter kalt, drei Tage nach Weihnachten. Schnee liegt wieder keiner, aber unsere Finger werden klamm und steif und können kaum die Zigarette halten.
Vor der Haustüre steht Stefan mit seiner neuer Frau. „Das war nichts mehr mit der Moni“, erklärt er gerade, „Ihr wisst ja, der Alkohol….“ Die neue Frau lächelt. Im letzten Jahr war Stefan alleine da gewesen und hatte von Moni erzählt. Alkohol, Unzuverlässigkeit, er, Stefan hatte sehr darunter gelitten….aber jetzt nicht mehr!
Irgendwann, wenn die Kinder mit Peter und Michaela im Bett liegen oder zwischen den Mänteln im Schlafzimmer gut verstaut eingeschlafen sind, kommt das Zuckerl des Abends: Ralf spielt auf seiner Gitarre. Stefan auch. Er mehr so Western und Country. Ralf ist der Mann der feinen Töne und zusammen spielen sie Sauflieder, unschlagbar!
Ich sitze noch im Wohnzimmer. Mein Mann steht mitten in der Küche bei den anderen und all den Leckereien auf dem Küchentisch. Neben mir eine Mutter mit einem besonders empfindsamen Kind, das bei Lärm nie einschlafen kann. Sie hält es etwas unwillig auf dem Schoß und lauscht Gaby, die gerade begeistert von Peters neuen Wortschöpfungen schwärmt….Dazwischen erklärt eine junge Frau, die im Klinikum arbeitet, worauf es in der modernen Pflege ankommt, während sich ein Freund von Ralf mit seiner Frau nicht einigen kann, wer jetzt die letzte Zigarette geraucht hätte, bevor sie es endlich geschafft hätten aufzuhören….
Ich sitze inmitten des Stimmengewirrs und halte ein Sofakissen fest. Gerade als ich meinen bequemen Sitz gegen einen Stehplatz in der Küche eintauschen will, kommt Ralf mit seiner Gitarre, setzt sich mir gegenüber und beginnt zu spielen. Ein leises, sanftes Lied. Geschickt gleiten seine Finger über die Saiten, seine Stimme schmeichelt. Gaby setzte sich zu ihm, neckt ihn. Ralf wirkt sehr groß, sehr stark und sehr verlangend. Gaby ist die kleine Frau. Mit ihren schmalen Fingerchen hält sie spielerisch eine Saite der Gitarre fest, ihr plappernder Mund ist zum Stillstand gekommen und läßt die Spitze einer kleinen,rosaroten Zunge sehen, während sie ihre schlanke Figur zur Geltung bringt.
Aber Ralf sieht nur mich an. Er hat eine tiefe, warme Stimme und braune Augen, mit denen er mich unverwandt ansieht und er spielt ein altes Liebeslied. Ich bin froh über das Kissen in meinen Armen und Ralf spielt.
Ich sehe uns auf dem Motorrad sitzen. Ralf trägt seinen schweren, ledernen Anzug und riecht nach Benzin, Tabak, ein bißchen Rasierwasser und dem Wind, der anfängt in meinen Ohren zu sausen. Ich schmiege mich hinter ihm auf den Sitz, winke Gaby zum Abschied und meinem Mann, der seine Besorgnis hinter dröhnendem Gelächter verbirgt und wir fahren davon.
Wir fahren durch eine Landschaft der Farben. Blauer Himmel, Bäume übersät mit rosaroten und weißen Blüten, knietiefes Gras am Wegrand…eine Wiese, die mir seit meiner Kindheit im Gedächtnis ist, an einem Bach in meiner Heimat. Während wir einen Platz suchen, das Motorrad abzustellen, spüre ich Ralfs warmen, starken Körper um den ich beide Arme geschlungen habe.
Er gleitet langsam von der Maschine und beginnt mich zu küssen. Er küsst mich mit dem Verlangen aufgestauter Träume und ich küsse ihn wieder, denn ich kann ihn nur zu gut verstehen!
Später liegen wir auf der Wiese und sprechen nicht. Wir erzählen uns nichts, denn nichts erscheint uns wichtig genug, den strom der gedanken zu stören, der zwischen uns ist und den Frieden der Wiese zu stören, auf der wir liegen. Gebadet im Sonnenschein.überströmt vom Duft der Blüten.das satte Gras unter uns. Wir haben vom Blau des Himmel getrunken und…..
Noch immer sieht Ralf mich an und spielt leise ein Liebeslied. Gaby, des Singens müde geworden, erzählt gerade von Peters fabelhaftem Umgang mit der Rechtschreibung, man stelle sich vor, in der zweiten Klasse, da erwache ich.
Das Kissen drückt weich und schwer auf meinen Leib und Ralf sieht mich immer noch an. Ich lächle und Ralf lächelt auch. Einen kurzen Moment noch, dann geht er in die Küche und fällt mit der zweiten Stimme in Stefans wüstes Sauflied ein. Sie spielen eine lange Zeit.
Später stehe ich vor dem Küchenschrank, trinke kleine Schlucke aus dem gläsernen Stiefel, der umgeht und wir singen nach Herzenslust. Stefans neue Frau hat eine herrliche, rauchige Stimme und gibt deftige Lieder zum Besten. Belacht, beklatscht, begossen. Ralf spielt wie der Teufel, es ist eine tolle Stimmung und manchmal sieht er mich an. Er reicht mir sein großes Glas und sagt“Trink! Trink,“sagt er,
„Trink den Trank des Vergessens, oh schöne Frau“ und alle lachen und wissen nicht warum.
Wir verabschieden uns spät. Es hat uns wie immer gut gefallen und schließlich stehen wir unter der Haustüre, eine letzte Zigarette zwischen den eiskalten Fingern.
„Des war wieder a Feschtle“ sagt mein Mann.
Ralf steht dicht neben mir. Ich muss ihn immerzu ansehen, seine lockigen, braunen Haare, seine Augen, seine kräftige, große Gestalt und zum erstenmal sehe ich die feinen Fältchen, die Kerbe in der Stirn und den leichten Zug der Verbitterung um seinen Mund. Gaby sieht gut aus, schießt es mir durch den Kopf, aber zum erstenmal beneide ich sie nicht.
Ich gebe Ralf zum Abschied einen Kuss. Das habe ich noch nie getan und werde es auch nicht wieder tun.
Aber an diesem Abend kann ich nicht anders.Ich ziehe ihn für einen Moment in meine weiche, grüne Jacke und küsse ihn auf die Wange. Er legt ganz kurz nur seinen Kopf in einer hilflosen Gebärde auf meine Schulter und ich weiß, wir sind beide gefangen, eine Motorradtour wird es nicht geben.
„Oh, ich glaub, ich hab zuviel getrunken“, murmelt Ralf unter dem etwas irritierten Blick meines Mannes, in dem jäh ein Funken Eifersucht glimmt.
Wir fahren mit unserem dicken Audi rasch nach Hause, denn es ist bitterkalt. „Heute hat er wenigstens nicht wieder von seinem Motorrad angefangen“, sagt mein Mann. „Das ist ja auch etwas für den Sommer….bei so einem Wetter sind wir schon froh, daß wir ein richtiges Auto haben, gell Schatz!“ sagt mein Mann und tätschelt meine Hand.
 
Hallo Lizzy,
ja, manche Dinge kann sich durch "loben" schön vorstellen, aber es hält leider nicht der Realität statt.
Gern mitgelobt, Ich trink dazu gern ein Gläschen, dann erträgt mans leichter!
LG
Perry
 
  • Perry
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