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Feedback jeder Art Das vergebliche Suchen nach der Freiheit

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Ich kam wieder vom Hundertsten ins Tausende.
Zunächst las ich in einer Lessing Biografie, die sich seit zwanzig Jahren in meinem Regal befindet. Ganz unten, ich musste auf die Knie gehen, um sie zu erhaschen. Nach einigen Videos auf YouTube über Lessing und einigen alten Filmen, mit Stücken von Lessing, wobei mir Emilia Galotti am meisten gab, präsentierte mir der Algorithmus Fontane. Also, einige Biografien über Fontane. Dann der Versuch, sein wichtigstes Werk herauszudestillieren. Womöglich Effi Briest.

Ich könnte mal wieder in die Buchhandlung in Bad König gehen. Eine gehobene Buchhandlung. Mit meiner verstorbenen Frau war ich oft dort, in glücklichen Jahren, und beide bargen wir unzählige Schätze der Literatur in dem schummrigen Laden. Doch der Gedanke, alleine dort zu erscheinen und evtl. wiedererkennende, fragende Blicke zu spüren, erzeugte Wehmut in meinem Herzen und das war jetzt nicht das, was ich wollte. War ich doch gerade auf dem besten Wege eines völligen Neuanfangs, jedenfalls hoffte ich das.

Ob Effi Briest im Keller in den verstaubten Bücherstapeln liegen könnte? Möglich wäre es.
Deshalb steige ich hinab in den Keller und beginne, in den, an einer Außenwand aufgestapelten Büchern zu suchen. Mein Plan: Alle Bücher zu sortieren nach folgenden Kategorien:
Erstens, Romane meiner Frau, zweitens, Romane, die ich kaufte, drittens, Sachbücher meiner Frau, -größtenteils psychologische Berater-, viertens, Sachbücher von mir gekauft -eine Hälfte psychologische Berater und die andere Hälfte Programmierhandbücher.

Ich ärgere mich über jedes Sachbuch, das eine heile Welt verspricht, wenn man nur beherzigt und einübt, was die Autor*Innen empfehlen, bringe es aber doch nicht fertig, sie endlich in die nebenstehende blaue Tonne zu pfeffern.

Ich atme schwarzen Staub ein und befürchte, er wird tödlich sein. Waren nicht in den Pyramiden auch tödliche Stäube, denen die ersten Forscher zum Opfer fielen? Man glaubte an einen Fluch. Aber die Sache war rein wissenschaftlich zu erklären. Aber was, wenn sich der Fluch der Wissenschaft bediente? Zwecklos, darüber nachzudenken.

Dann grabe ich todgeweiht weiter und weiter und unter dem letzten Buch, das auch nicht Effi Briest ist, liegt ein krummes, dürres Ästchen, so glaube ich zunächst. Bei genauerem Hinsehen, entpuppt sich das Ästchen als eine tote, vertrocknete Blindschleiche. Der Kopf ist etwas erhoben, als reckte sie sich zuletzt. Um ihre Augen Ansammlungen von Staub. Sicher weinte sie am Ende.
Sie muss durch das Gitterfenster hereingekommen sein. Im Sommer lasse ich die Scheibe offen stehen, um den Keller zu durchlüften und die Bücher vor Schimmel zu bewahren.

Ich hebe die Freiheitssucherin auf und lege sie auf einen Bücherstapel. Ob ich sie in Harz gießen sollte und an meine Wand hängen, als ein Zeichen für das vergebliche Suchen der Freiheit?
 
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