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Der Text

Es war ein verregneter Samstagmorgen, als Paul über einen Garagenflohmarkt schlenderte. Eigentlich war er nur zufällig hier – ein spontaner Umweg auf dem Heimweg vom Supermarkt. Doch dann fiel sein Blick auf einen alten, massiven Schreibtisch. Dunkles Holz, verziert mit filigranen Schnitzereien. Die Oberfläche war abgenutzt, doch genau das verlieh dem Möbelstück einen besonderen Charme.

„Wie viel wollen Sie dafür?“ fragte Paul den alten Mann hinter dem Stand.

„Fünfzig Euro, wenn Sie ihn selbst transportieren können“, antwortete der Verkäufer mit einem müden Lächeln.

Paul überlegte nicht lange. Er brauchte einen neuen Schreibtisch, und dieser schien perfekt. Also lud er ihn ein und brachte ihn nach Hause.

Zuhause angekommen, wischte er den Staub ab und zog die Schubladen heraus, um sie zu reinigen. Dabei bemerkte er ein vergilbtes Blatt Papier, das in einer der Schubladen klemmte.

Neugierig zog er es heraus und begann zu lesen.

Es war eine Geschichte, doch sie ergab keinen Sinn. Wirre Sätze, unzusammenhängende Abschnitte. Einige Wörter schienen hastig durchgestrichen, andere mit dunkler Tinte überschrieben.

"Er öffnete die Tür, doch dahinter war nur Dunkelheit. Etwas bewegte sich in den Schatten. Ein Flüstern – fremd und doch vertraut. Er wusste nicht, warum er weiterging. Doch er musste. Immer weiter. Immer weiter..."

Der Text brach abrupt ab.

Paul runzelte die Stirn. Wer auch immer diese Geschichte begonnen hatte, hatte sie nie beendet.

Und dann überkam ihn ein seltsames Gefühl. Eine Neugier, die sich langsam in ein drängendes Bedürfnis verwandelte.

Er nahm einen Stift.

Zunächst schrieb Paul nur ein paar Sätze. Er versuchte, die Geschichte zu vervollständigen, aber nichts schien zu passen. Es war, als ob der Text sich wehrte. Als ob er eine eigene Logik besaß, die er nicht verstand.

Doch er konnte nicht aufhören.

Mit jeder Stunde, die verstrich, versank er tiefer in den Worten. Der Regen prasselte gegen das Fenster, die Zeit verflog. Als es draußen dunkel wurde, merkte er nicht einmal, dass er noch nichts gegessen hatte.

Er schrieb weiter.

Tag um Tag, Nacht um Nacht.

Seine Finger waren wund, seine Augen blutunterlaufen. Aber der Text – der verdammte Text – war immer noch nicht fertig. Jedes Mal, wenn er dachte, er hätte das Ende gefunden, formten sich neue Sätze in seinem Kopf, zwangen ihn weiterzumachen.

Eine Woche verging. Dann zwei.

Paul verließ die Wohnung nicht mehr. Er aß nicht, trank nicht. Seine Haare waren fettig, seine Wangen eingefallen. Der Schreibtisch war übersät mit Notizen, zerknüllten Blättern, auf denen immer wieder die gleichen Sätze standen.

Er konnte nicht aufhören.

Er wollte nicht aufhören.

Es war, als ob eine fremde Macht seine Gedanken lenkte, seine Hand führte. Er war nur noch ein Gefäß, durch das der Text sich manifestierte.

Dann, nach unzähligen Nächten, brach Paul zusammen.

Er fiel vom Stuhl, sein Kopf schlug dumpf auf den Boden. Doch er merkte es nicht mehr.

Er war tot.

Und die Geschichte blieb unvollendet.

Als die Polizei einige Tage später in die Wohnung eindrang, fanden sie ein Bild des Grauens vor: Ein abgemagerter Mann, leblos auf dem Boden. Neben ihm ein Schreibtisch, übersät mit Papierfetzen, voller wirrer Sätze.

Einer der Polizisten, ein gewisser Jonas Meier, hob das letzte beschriebene Blatt auf und las.

Er runzelte die Stirn.

Der Text ergab keinen Sinn.

Er setzte sich auf den Stuhl.

Nahm einen Stift.

Und begann zu schreiben.
 
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