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Feedback jeder Art Destillat

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ich gieße mir kein glas ein –
ich gieße mir gedanken auf.
die klare tropfenform
hat immer schon
besser verstanden,
was in mir gärt.

ein funke auf der zunge,
ein spiegel hinter den augen.
kein rauschen –
nur das leise dröhnen
einer seele im ausdunst.

und wenn es fließt,
dann nicht nach außen,
sondern durch.
wie tintenströme
durch poröse haut,
wie ein wort
durch einen hals
der mehr getragen hat
als stimmen.

der rausch ist kein fluchtweg.
er ist ein fenster
das nur von innen aufgeht.
ich steige nicht aus –
ich steige tiefer.
trinke mich näher
an das,
was ich fast sagen kann.

und dort,
am grund des letzten schlucks,
liegt manchmal
ein satz,
so roh,
dass ich ihn nicht schreibe –
sondern nur
zu ende atme.
 
Liebe @evermore,

der Prozess des Schreibens als Weg der Verarbeitung, quasi als mäeutisches Gespräch mit sich selbst. Der Rausch als Moment der Katharsis. Dabei beschreibst du sehr stimmungsvoll, wie es sich anfühlt, wenn die Gedanken Form annehmen, wie sie aus dem unterschwellig Unbewussten ins greifbar Bewusste übertreten.

Der Hals der mehr getragen hat, als er Stimmen hat. Hier bin ich mir nicht sicher, hat der Sprechen mehr erlebt als er/sie ausdrücken kann (vielleicht „ertragen“)?

Ich verstehe den Rausch dabei wie in den ersten beiden Versen, als Prozess des Denkens und Schreibens, nicht als tatsächliches Trinken. In den letzten beiden Strophen hatte ich kurzzeitig einen anderen Eindruck. Aber du schreibst es ja eigentlich sehr eindeutig zu Beginn.

Besonders gelungen: das Ende - „ ein satz,
so roh,
dass ich ihn nicht schreibe –
sondern nur
zu ende atme.“

Für mich zeigt sich hier, dass das Verarbeiten wichtiger ist, als das fertige Gedicht auf dem Papier. Und die Verse erzeugen dabei eine sehr poetische Atmosphäre. Das Zu-Ende-Atmen ist dabei vielleicht auch ein letztes Loslassen - ähnlich einem befreienden Zusammenbrechen - in diesem finalen Moment der Klarheit.

Ich habe dein Gedicht wieder gerne gelesen. Danke dafür.

Beste Grüße

Friedrich
 
Lieber @Friedrich

vielen Dank für deine so feinfühlige und tiefgehende Rückmeldung – es bedeutet mir wirklich viel, dass du dir die Zeit genommen hast, mit so viel Resonanz und Sorgfalt auf den Text einzugehen.

Tatsächlich war die Mehrdeutigkeit im Text beabsichtigt: Für mich ist Rausch kein monolithischer Zustand, sondern eher ein Durchgang – manchmal durch Schreiben, manchmal durch Substanz, manchmal durch Stille und Meditation. Alle drei Zugänge fließen für mich ineinander, wenn es darum geht, diesen reflexiven Zustand zu betreten, in dem Gedanken nicht nur gedacht, sondern erlebt werden.

Du hast das mit dem „Hals“ gut gelesen – ich wollte bewusst diesen Schwebezustand zwischen „tragen“ und „ertragen“ lassen. Der Hals, der Worte trägt, aber auch Dinge, die über Worte hinausgehen. Genau an dieser Stelle habe ich innegehalten und mich gefragt, ob ich nicht lieber ertragen nehme, bin dann aber schulterzuckend das Risiko eingegangen ^^

Und ja – das Ende. Es freut mich besonders, dass du gerade diesen Teil als gelungen empfunden hast. Manchmal reicht es nicht, etwas auszusprechen. Manchmal muss man es einfach durch den eigenen Atem ziehen, um es loszulassen.

Nochmals danke für deine Gedanken.
Herzliche Grüße,
evermore
 
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