Brot, Gouda, Backkäse ...,
alles fehlt.
Der Kühlschrank gähnt Leere.
Mutter auf dem Anrufbeantworter.
Leider wieder nicht du.
Ich müsste zurückrufen. Ach!
Vielleicht zunächst duschen?
Man muss immer frisch sein,
es könnte wer kommen. Wer?
Kontaktbeschränkungen treffen mich wenig,
sie greifen bei mir ins Leere.
Warum wollen einem Mütter immer sehen?
Weiß sie nicht, wie ich ausseh?
Will sie ins Taschentuch spucken,
um mir den Mund abzuwischen.
Ein Kind bleibt ein Kind,
eine Mutter, eine Mutter.
Da kommt man nicht dagegen an.
Seit Vaters Tod nennt sie mich oft Hans.
Ich kann und will ihn nicht ersetzten.
Sie sagt, das Leben bringt ihr nichts mehr,
was soll das alles noch.
Neulich fuhr ich wieder abends 120 Kilometer,
weil sie nicht ranging.
Sie war vor dem Fernseher eingeschlafen.
Seitdem hat der Nachbar ihren Schlüssel und
ich seine Nummer.
Sie sagt, sie kann nachts nicht schlafen,
wenn wir von alten Zeiten geredet hätten.
Ich versuche es zu vermeiden, aber sie fängt immer
wieder damit an.
Sie besteht nur noch aus einer Vergangenheit,
die ich auswendig kenne.
Sie sagt, sie möchte mich auf keinen Fall
überleben, das dürfe ich ihr nicht antun.
Ich tue mein Bestes, doch manchmal denke
ich, sie bringt mich um.
Als ich klein war, sagte sie immer,
ich sei ihr Sargnagel, das darf ich natürlich
nicht zu ihr sagen.
Ich überlege mir jedes Wort.
Ich liebe sie, wie man eine Mutter liebt,
also jetzt nicht unbedingt dafür,
dass sie mich in dieses Leben geworfen hat,
sondern allgemein.
Wir waren uns immer so fern wie auf
getrenntesten Bergen.
Wir erkannten uns nie.
Mir geht es darum, es ihr Recht zu machen
und wenigstens an ihrem Tod nicht schuld zu sein.
Aber fernab von ihr führe ich eine
Existenz, die nichts mehr mit der ihrigen zu tun hat
und die sie niemals verstünde, geschweige
denn akzeptieren würde.
Eine Existenz, von der zu erfahren für sie
lebensgefährlich sein könnte.
Seit sie mich zu ihrem Alleinerben machte,
wünsche ich ihr ein ewiges Leben.
Sie sagt, sie wolle ins Heim,
wenn sie nicht mehr wüsste, was sie tue.
So machten wir es mit Vater auch,
als er anfing, Mutter zu bezichtigen, in
Frankfurt jede Nacht anschaffen zu gehen.
Eine Einundachtzigjährige!
Im Heim sorgten sie dafür,
dass er innerhalb eines Jahres verstarb.
Kindsein wird immer beschwerlicher
nach hinten raus.
Kindsein ist eine bleiche Wunde,
die sich niemals schließt.
Hera Klit, Dezember 2021