Nach Zhuangzi
1. Erwachen zur Selbstbestimmung
Es war die Zeit der Herbstfluten
Und mächtig wuchs der gelbe Fluss,
Genährt von seinen Wildbächen,
Dass man die Ufer suchen muss.
Da wurd der Flussgott hochgemut,
Dass er der Allergrößte wär,
Und fühlte sich ganz stark und gut.
Doch traf er bald schon auf das Meer.
Er blickte bis zum Horizont,
Ein Ende konnte er nicht finden,
Da sah vorm Gott des Nordmeers promt,
Er seine ganze Größe schwinden.
"Es stimmt wohl, was im Sprichwort steht:
Für unvergleichlich klug hält sich,
Wer hundert Wege kennt und geht
Und leider trifft das zu auf mich.
Wohl habe Leute ich getroffen,
Die kümmerten sich nicht um Größe,
Geglaubt hab ich, da bin ich offen,
Sie lügen, spinnen! welche Blöße.
Erst jetzt, bei Euch, erkenne ich,
Was Größe, Unerschöpflichkeit,
Zu Recht hätt jeder Meister mich,
Verlacht für meine Närrischkeit."
Der Gott des Nordmeers sprach darauf:
"Ein Brunnenfrosch erkennt kein Meer,
Denn schließlich ist sein Lebenslauf,
Beschränkt aufs Loch, und nicht auf mehr.
Kein Sommervogel kennt das Eis,
Es ist die Zeit, die ihn beschränkt,
So kommt es, dass er nichtmal weiß,
Was er nicht weiß, was er nie denkt.
Mit einem Fachmann spreche nicht,
Vom Sinn, ihn blendet nur sein Fach,
Doch nun besitzt du klare Sicht,
Bist sozusagen aufgewacht.
Erkennst all deine Ärmlichkeit,
Dass ich dir mehr erzählen kann:
Ein jeder Fluss hier, weit und breit,
Fließt in mich, doch ich steig nicht an.
Ich änder niemals mein Gesicht,
Was mit der Zeit auch so passiert,
Selbst Flut und Dürre kenn ich nicht,
Doch wer mich groß nennt, fantasiert.
Denn zwischen Himmel und der Erde,
Bin ich wie'n Steinchen auf nem Berg,
Fast schön, wenn ich gesehen werde,
Doch bleibe ich ein kleiner Zwerg.
Wenn man den einz'neln Mensch vergleicht
Mit all den Myriaden Wesen,
Ist es nicht so, dass er vielleicht,
Noch nie bedeutend ist gewesen?
Doch hält ein jeder sich für groß,
So wie du selbst bis eben dachtest,
Das größte Wasser wärst du bloß.
Dein Glück, dass heute du erwacht bist."
...
2. Groß und Klein
"Doch ginge es, man würde sagen,
Die Spitze eines Haars sei klein,
Und weil die ganze Welt sie tragen,
Muss Erd und Himmel riesig sein?"
"In Wirklichkeit der Welt der Dinge
Da gibt es kein begrenztes Maß,
Auch nichts, das dauerhaft fortginge,
Und nichts, das fortzugehn vergaß.
Die höchste Weisheit schaut deswegen
Auf Nah und Fern in gleicher Weise,
Sie sieht ganz einheitlich das Leben,
Beständig zieht sie ihre Kreise.
Sieht Kleines nicht mehr als gering,
Das Große nicht als wichtig an,
Belanglos sieht sie, was verging,
Lässt Ungeduld nicht an sich ran.
Erforscht des Lebens Wechselspiel
Dort zwischen Aufstieg und dem Fallen
Sich gleich zu bleiben ist ihr Ziel,
dass Freud und Leid in ihr verhallen.
Sie trauert nicht mehr um Verlust
Gewinnt, als täte sie es nicht,
Denn schließlich ist ihr ja bewusst,
Dass jeder Zustand mal zerbricht.
Nun gibt es kein begrenztes Maß,
Und niemals ruht der Lauf der Zeit,
Es wird geführt, wer das vergaß,
Im Kreis sich drehend durch sein Leid.
Die Zeit, die man auf Erden lebt,
Gleicht nicht der Zeit, die man's nicht tut,
Wie sehr man auch nach Wissen strebt
Es wächst allein die Fragenflut.
Wer nun, trotz allem, so beschränkt,
Zu ordnen sucht, was ohne Maß,
Sich einzig an den Irrtum hängt,
Wie fest er auch im Sattel saß.
Denn niemals könnt man sicher sein,
Ob nun die Spitze von nem Haar,
Erscheint sie uns auch noch so klein,
Das Kleine festlegt, klar und wahr.
Und ob der Erde Größe dann
Am Ende wirklich groß genug,
dass man durch sie bestimmen kann
Was groß ist, ohne Lug und Trug."
Herbstfluten II
Originaltext aus dem "Wahren Buch vom südlichen Blütenland":
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Zhuang+Zi+(Dschuang+Dsi)/Das+wahre+Buch+vom+südlichen+Blütenland/2.+Exoterisches/Buch+XVII/1.+Erwachen+zur+Selbstbesinnung
1. Erwachen zur Selbstbestimmung
Es war die Zeit der Herbstfluten
Und mächtig wuchs der gelbe Fluss,
Genährt von seinen Wildbächen,
Dass man die Ufer suchen muss.
Da wurd der Flussgott hochgemut,
Dass er der Allergrößte wär,
Und fühlte sich ganz stark und gut.
Doch traf er bald schon auf das Meer.
Er blickte bis zum Horizont,
Ein Ende konnte er nicht finden,
Da sah vorm Gott des Nordmeers promt,
Er seine ganze Größe schwinden.
"Es stimmt wohl, was im Sprichwort steht:
Für unvergleichlich klug hält sich,
Wer hundert Wege kennt und geht
Und leider trifft das zu auf mich.
Wohl habe Leute ich getroffen,
Die kümmerten sich nicht um Größe,
Geglaubt hab ich, da bin ich offen,
Sie lügen, spinnen! welche Blöße.
Erst jetzt, bei Euch, erkenne ich,
Was Größe, Unerschöpflichkeit,
Zu Recht hätt jeder Meister mich,
Verlacht für meine Närrischkeit."
Der Gott des Nordmeers sprach darauf:
"Ein Brunnenfrosch erkennt kein Meer,
Denn schließlich ist sein Lebenslauf,
Beschränkt aufs Loch, und nicht auf mehr.
Kein Sommervogel kennt das Eis,
Es ist die Zeit, die ihn beschränkt,
So kommt es, dass er nichtmal weiß,
Was er nicht weiß, was er nie denkt.
Mit einem Fachmann spreche nicht,
Vom Sinn, ihn blendet nur sein Fach,
Doch nun besitzt du klare Sicht,
Bist sozusagen aufgewacht.
Erkennst all deine Ärmlichkeit,
Dass ich dir mehr erzählen kann:
Ein jeder Fluss hier, weit und breit,
Fließt in mich, doch ich steig nicht an.
Ich änder niemals mein Gesicht,
Was mit der Zeit auch so passiert,
Selbst Flut und Dürre kenn ich nicht,
Doch wer mich groß nennt, fantasiert.
Denn zwischen Himmel und der Erde,
Bin ich wie'n Steinchen auf nem Berg,
Fast schön, wenn ich gesehen werde,
Doch bleibe ich ein kleiner Zwerg.
Wenn man den einz'neln Mensch vergleicht
Mit all den Myriaden Wesen,
Ist es nicht so, dass er vielleicht,
Noch nie bedeutend ist gewesen?
Doch hält ein jeder sich für groß,
So wie du selbst bis eben dachtest,
Das größte Wasser wärst du bloß.
Dein Glück, dass heute du erwacht bist."
...
2. Groß und Klein
"Doch ginge es, man würde sagen,
Die Spitze eines Haars sei klein,
Und weil die ganze Welt sie tragen,
Muss Erd und Himmel riesig sein?"
"In Wirklichkeit der Welt der Dinge
Da gibt es kein begrenztes Maß,
Auch nichts, das dauerhaft fortginge,
Und nichts, das fortzugehn vergaß.
Die höchste Weisheit schaut deswegen
Auf Nah und Fern in gleicher Weise,
Sie sieht ganz einheitlich das Leben,
Beständig zieht sie ihre Kreise.
Sieht Kleines nicht mehr als gering,
Das Große nicht als wichtig an,
Belanglos sieht sie, was verging,
Lässt Ungeduld nicht an sich ran.
Erforscht des Lebens Wechselspiel
Dort zwischen Aufstieg und dem Fallen
Sich gleich zu bleiben ist ihr Ziel,
dass Freud und Leid in ihr verhallen.
Sie trauert nicht mehr um Verlust
Gewinnt, als täte sie es nicht,
Denn schließlich ist ihr ja bewusst,
Dass jeder Zustand mal zerbricht.
Nun gibt es kein begrenztes Maß,
Und niemals ruht der Lauf der Zeit,
Es wird geführt, wer das vergaß,
Im Kreis sich drehend durch sein Leid.
Die Zeit, die man auf Erden lebt,
Gleicht nicht der Zeit, die man's nicht tut,
Wie sehr man auch nach Wissen strebt
Es wächst allein die Fragenflut.
Wer nun, trotz allem, so beschränkt,
Zu ordnen sucht, was ohne Maß,
Sich einzig an den Irrtum hängt,
Wie fest er auch im Sattel saß.
Denn niemals könnt man sicher sein,
Ob nun die Spitze von nem Haar,
Erscheint sie uns auch noch so klein,
Das Kleine festlegt, klar und wahr.
Und ob der Erde Größe dann
Am Ende wirklich groß genug,
dass man durch sie bestimmen kann
Was groß ist, ohne Lug und Trug."
Herbstfluten II
Originaltext aus dem "Wahren Buch vom südlichen Blütenland":
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Zhuang+Zi+(Dschuang+Dsi)/Das+wahre+Buch+vom+südlichen+Blütenland/2.+Exoterisches/Buch+XVII/1.+Erwachen+zur+Selbstbesinnung