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Feedback jeder Art Ich bin noch da!

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Wenn die Nacht sich senkt,
senkt sich auch etwas in mir –
eine Bewegung nach innen,
leise, fast unmerklich. Kein Vorhang,
kein Donner, nur ein samtenes Dunkel,
das sich ausbreitet, als hätte es
dort immer schon gewohnt.

Die Dinge sind noch da,
ja – Tisch, Atem, Gedanke –,
aber sie verlieren ihre Kanten.
Vielleicht ist es das, was wir Hölle nennen;
eine Welt, die nicht mehr weiß, wer sie ansieht.

Ich spüre die Zeit, nicht als Fluss,
sondern als Raster – Stunde für Stunde,
gleichmäßig und ohne Erbarmen.
Kein Aufschrei, kein Innehalten.

Sie geht weiter, als hätte sie ein Ziel,
das niemand kennt.
Minuten schleppen sich durch mich hindurch,
schleifen das Denken, das Fühlen, das Ich.
Es gibt nur noch den stillen Takt
eines fremden Herzens.

Was mir begegnet, wenn alles schweigt,
ist kein Dämon, keine mythologische Figur.
Es ist das Echo meiner eigenen Vorstellungen –
Leid als Spiegel, Schatten als Kind des Gedankens.

Ich versuche, mir zu erklären, was ich fühle.
Aber Worte lösen sich auf wie Nebel.
Vielleicht ist der Schatten nicht das Fremde,
sondern der vertraute Teil von mir,
der zu lange im Licht gestanden hat.

Ich sitze da und warte.
Auf nichts Bestimmtes.
Die Stunden schleichen,
wie Paragrafen, einer nach dem anderen,
unaufhaltsam, unbeeinflussbar.

In der Kälte, die nicht von draußen kommt,
sondern aus dem Innersten meines Körpers,
meines Denkens, meines Gefühls.
Eine Kälte, die nicht friert, sondern auflöst.

Die Schatten tanzen.
Das Dunkel spricht.
Meine Seele fröstelt.
Und ich höre sie schreien:


„Ich bin noch da.“
 
Lieber Driekes,

ich habe mir Mühe gegeben herauszubekommen, was das Li umtreibt, wenn es Nacht wird. Aber ich stehe etwas auf dem Schlauch. Du wirst mir sicher auf die Sprünge helfen. 🙂
Die einsetzende Dunkelheit verändert das Denken und Fühlen des Lis (ich mag den Begriff eigentlich nicht) und es scheint sich selbst und die Umgebung beunruhigend anders wahrzunehmen, obwohl sich nichts verändert hat . Aber es ist keine Angst dabei, sondern etwas Samtenes. Trotzdem fällt der Begriff Hölle.
Es scheint zu befürchten sich selbst zu verlieren. Aber das Innere sträubt sich gegen diesen Zustand.
Ich liege sicher völlig daneben.

Trotzdem, gern gegrübelt

Liebe Abendgrüße
Wilde Rose
 
Liebe Wilde Rose, liebe Chilicat,

erstmal danke euch beiden – nicht nur fürs Lesen, sondern fürs ehrliche Mitgrübeln.
Ich finde es wirklich schön, dass ihr euch auf den Text eingelassen habt, auch wenn
er sich vielleicht nicht sofort erschließt.

Ja, es geht um das, was sich in einem selbst verändert, wenn die Nacht kommt – nicht bedrohlich,
sondern eher still, fast zärtlich. Die Außenwelt bleibt dieselbe, aber sie wirkt irgendwie entrückt.
Die Konturen verschwimmen, innen wie außen. Und genau dieses kaum merkliche Kippen in einen
anderen Zustand wollte ich einfangen.

Der Begriff „Hölle“ ist dabei eher eine Metapher – weniger für Qual als für das Gefühl,
sich selbst fremd zu werden, das eigene Spiegelbild nicht mehr greifen zu können.
Keine große Dramatik, eher ein leises Verschwinden. Und gleichzeitig auch der Versuch, das zu begreifen.

Was einem da begegnet, ist kein Dämon von außen, sondern etwas Eigenes – der Schatten als Teil
von uns selbst, der vielleicht zu lange im Licht gestanden hat (also jener innere Anteil, den wir oft
verdrängen oder übersehen, weil er nicht ins Bild des „hellen“, funktionierenden Selbst passt).

Und dieses „Ich bin noch da“ am Ende – das ist so etwas wie ein letzter, stiller Trotz.
Oder eine zarte Behauptung, dass irgendwo unter all dem Verstummen noch etwas lebt.

Ihr habt den Ton gut erspürt, auch wenn nicht jedes Bild direkt greifbar war –
und genau das ist für mich das Schöne am Lesen: dass es Raum lässt für eigenes
Empfinden, Mitdenken, Fragen.

Danke euch beiden fürs Dabeisein.😊

LG.
Driekes

P.S.: Der Begriff „LI“ war mir auch schon immer ein bisschen suspekt – klingt,
als hätte man ein Insekt aufgespießt und unter ein Mikroskop gelegt.

Ich schreibe einfach, wenn’s in mir drängt – wer da spricht, ist mal Seele, mal Schatten,
mal einfach ein Mensch im Halbdunkel, der versucht, Worte für etwas Unsichtbares zu finden.

LG.
 
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Hallo Dierkes,
in der Nacht kann sich dem Geist die Welt des Inneren öffnen und Verdrängtes, Ersehntes oder Unbekanntes tritt ins Traumlicht des Suchenden. Möge das LI seinen Weg durch die Schattenwelt der Nacht finden und am Ende des Tunnels irgendwann das wahre Licht sehen.
Gern mitphilosophiert und LG
Perry
 
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