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Feedback jeder Art Oikos. Ein Haus aus Spiegeln.

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  • evermore
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Ich bin der Ikarus,
der nicht zur Sonne flog,
sondern in den Keller fiel,
weil er wusste, dort wartet keiner.
Nicht mal das Echo.

Die Eltern:
Zeus und Hera,
aber nicht die der Mythen,
sondern die aus jenen Versionen,
wo Blitze Wunden und keine Wunder hinterlassen.
Sie reden in Donner,
aber wenn ich spreche,
fällt nur Staub vom Sims.

Mein Bruder ist Hermes:
Er überbringt Botschaften,
nicht von den Göttern,
sondern vom Kalender.
Er weiß, wann wir fahren.
Er fährt.
Er ist schon da.

Ich bin Chronos in der eigenen Zeitschleife,
mein Körper tickt,
doch niemand hört ihn.
Sie sagen: „Du warst zu spät“,
aber ich war pünktlich im falschen Mythos.

Sie warteten nicht.
Denn warten ist Erkennen.
Und sie erkennen nur sich.

Ich habe einen Spiegel abgehängt.
Nicht aus Trotz.
Aus Selbstschutz.
Jedes Mal, wenn ich ihn sah,
stand dort: Unbrauchbar bei Licht.

Manchmal denke ich,
meine Haut ist ein Vorhang,
der sich nicht mehr öffnen will.

Die Familie ist ein Oikos, sagen sie.
Ein System, ein Haus, ein Ort.
Aber mein Zimmer hat kein Fundament.
Ich wohne auf einem Dach,
das nicht für mich gebaut wurde.
Manchmal glaube ich,
sie dachten:
"Wenn er fällt, fällt er leise."

Und meine Oma?
Sie ist Persephone,
halb im Licht, halb im Dunkel.
Sie ruft mich.
Doch ihre Worte klingen
wie Blätter im Wind,
sanft,
aber immer zu spät.

Ich habe ein Gedicht aus Luftschlössern gebaut,
doch sie wohnen darin nicht.
Sie werfen nur Schatten hinein
und sagen, es sei „meine Art“.
Sie nennen mich Sturm,
aber sie waren die Wetterkarte.

Ich bin nicht traurig.
Ich bin systemisch falsch zugewiesen.
Ich bin die Ausnahme,
die niemand zählen wollte.
Der Buchstabe am Rand,
den man bei der Korrektur überliest.

Wenn du mich siehst,
und ich sitze nicht mehr am Tisch,
dann frag dich nicht,
wann ich gegangen bin.

Frag dich,
wer nie Platz für mich gemacht hat.
 
Hallo evermore,

mein Vorschlag: Den Spiegel wieder aufhängen und sich getrauen hineinzuschauen, nicht dahinter.
Denn wer einen aus dem eigenen Spiegel heraus anblickt, ist dieser ganz besondere und wertvolle Mensch. Du selbst.

Liebe Grüße
Chilicat
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Morgen evermore, "es ist deine Art", das kommt mir sehr bekannt vor. Wenn jemand mit unserer Art nicht zurechtkommt, warum sollten wir uns dann ändern?
Das Traurige ist, alle wenden sich ab, wenn sie auf Schwierigkeiten stoßen, statt zu versuchen, klarzukommen, nachzufragen oder hinzusehen. Es ist ein Prozess, das für sich zu akzeptieren und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Letztlich leben wir in der Gemeinschaft und müssen uns ihr ein stückweit anpassen, um nicht gänzlich ausgeschlossen zu werden. Aber eben nur etwas, gerade so viel, um nicht isoliert zu leben. Es sollten sich andere Möglichkeiten finden lassen, sich zu verwirklichen.

Liebe Grüße Juls
 
Hey Chilicat,

das ist ein schöner Vorschlag. Der Spiegel als Mutprobe. Als Rückversicherung gegen die eigene Selbstverneinung. Ich verstehe, was du meinst – wirklich. Nur: Manchmal ist es nicht der Blick in den Spiegel, der schwer fällt. Sondern die Tatsache, dass man dort jahrelang nicht sich, sondern Projektionen gesehen hat. Mein Vater. Meine Mutter. Erwartungen. Zuschreibungen. Das ganze Inventar einer Biografie, die nicht meine war.

Wenn ich den Spiegel wieder aufhänge, dann vielleicht nicht, um hineinzuschauen – sondern um ihn zu bemalen. Mit allem, was ich bin, und allem, was ich nicht sein darf. Dann wird daraus kein Fenster zur Norm, sondern ein Kunstwerk im eigenen Rahmen.

Danke für deine Worte.
LG
evermore




Guten Morgen Juls,

ich hasse den Satz beinahe so sehr wie „So bist du halt.“ Weil er einen Menschen in ein Etikett faltet und dann versucht, ihn in eine Schublade zu stopfen – meistens mit Gewalt, oft mit einem Lächeln.

Und ja, du hast recht: Anpassung ist das Passwort zum Leben in der Gesellschaft. Aber ich frage mich manchmal: Was, wenn mein Passwort falsch geschrieben ist, absichtlich?

Ich will kein Märtyrer sein der Integrität, und auch kein Narzisst im Exil. Ich will nur nicht täglich das Gleichgewicht verlieren zwischen Ich-Sein und Dazugehören. Vielleicht bedeutet Erwachsenwerden, zu merken, dass beides nicht zur Gänze geht. Und trotzdem weiterzugehen.

Danke für deine Worte, sie wirken nicht wie Ratschläge, sondern wie Reiseführer durch ein Land, das man schon immer verlassen wollte, aber nie verlassen konnte.

LG
evermore
 
  • evermore
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