Ist es möglich, über jemanden zu schreiben, ohne Anekdotisches zu erzählen?
Der Geschichtslehrer erzählte über Ludwig XIV, fragte Pierre, was jener über den Staat gesagt hatte.
Pierre wusste es.
Pierres Vater, der sich umbrachte als er noch ein Kind war, war ein Franzose gewesen, ein Balletttänzer, der, bei einer Welttournee, sich in Pierres Mutter verliebte.
Er war handwerklich sehr geschickt, und das schien Pierre von ihm geerbt zu haben, denn, ohne je eine Lehre gemacht zu haben, ohne dass jemand ihm das beibrachte, fing er plötzlich an, Tische, Schränke, alle Sorte Möbel
zu bauen.
Er und Cecilia wohnten in einem von ihm selbst konzipierten Haus, wo er selbst vieles selbst einbaute. Ein vornehmes Haus auf einem Hügel, mit Blick zu einem Kilometer breiten Fluss.
Jahre später, als ich ihn in New York besuchte, brachte er mich zu der National Public Library in der 5th Avenue, zeigte mir die mit Edelholz getäfelten Decken und Wände, erklärte mir genau was für ein Holz das war und woher das käme.
Einmal waren wir auf der Suche nach bestimmten Schrauben, irgendwo in Manhattan, mir fielen die Härchen in seinen Nasenhöhlen auf, als ob er sie nie geschnitten hätte. Er erzählte mir gerade, was er einmal mit seinem Wagen erlebt hatte, ein Unfall auf der Straße, wo wir gerade standen.
Er stieg aus, um nach dem Schaden zu schauen, verzichtete darauf, die Polizei anzurufen, ließ den Unfallverursacher mit einem Lächeln und nach einem Händedruck wegfahren, weil es sich herausstellte, dass er ein Franzose war.
Pierre lebte illegal in New York, in Queens.
Ich habe noch ein Kärtchen von ihm, von einer von ihm gegründeten Firma, da kann man lesen, alles was sie anbietet, Reparaturen aller Art, Klempnerarbeiten und, natürlich, alles, was mit Holz zusammen hängt, Türen, Fensterrahmen, etc. Die Firma heißt
FONTAINEBLEAU
Pierres Familie väterlicherseits hatte einen Fisch- und Meeresfrüchte Stand in Marché de Passy, in Paris. Ich habe mal auf diesem Markt lange danach gesucht, bis ich es endlich, nach viel fragen, fand. Sie erzählten mir, ja, Pierres Familie hätte den Stand gehabt, den sie übernommen hatten, vor 15 Jahren...
Einmal kam eine Cousine von ihm aus Paris, eine, in ihrer Jugend, wunderschöne Frau.
Ich fragte ihn, wie sei ihr Besuch gewesen. "Sie stank furchtbar aus den Achselhöhlen", sagte er.
Als ich in New York war wohnte ich bei Pierre in seiner Wohnung in Queens, in einem heruntergekommenen Gebäude.
Genau in der Zeit kam seine Schwester zu Besuch, ich begleitete ihn zum JFK um sie abzuholen. Auch Cecilia und Victor, einer ihrer zwei Söhne, waren dabei. Pierre wollte den Wagen direkt vor dem Flughafen Gebäude parken, es ging aber nicht als Folge des Attentats auf die Twintowers, so dass die anderen ausstiegen während Pierre und ich im Wagen geblieben sind.
Pierre fuhr einige Minuten in einem Kreisel, wir sprachen nicht, wunderbare klassische Musik kam aus dem Radio.
Ich fühlte mich wie in einem Raumschiff.
Plötzlich dachte ich an Ospina, der vor vielen Jahren in diese Stadt ausgewandert und der Army beigetreten war.
Einmal hatte ich in einem Telefonbuch nach seinem Namen geschaut, aber da waren mindestens 30 Ospina.
Ich hätte 30 mal oder mehr anrufen müssen, denn die Latinos sind sehr misstrauisch, sie hätten nicht gesagt, ja, er wohnt hier sondern "vielleicht" wohnt er hier. Vielleicht hätte ich sogar ihn selbst an der Strippe gehabt und er hätte es zuerst geleugnet.
"Hast du was von Ospina gehört?" sagte ich, durch die Musik, zu Pierre.
Er überlegte eine Sekunde und antwortete mit einem höhnischen Unterton:
"Ist er nicht in Vietnam gefallen?"
Der Geschichtslehrer erzählte über Ludwig XIV, fragte Pierre, was jener über den Staat gesagt hatte.
Pierre wusste es.
Pierres Vater, der sich umbrachte als er noch ein Kind war, war ein Franzose gewesen, ein Balletttänzer, der, bei einer Welttournee, sich in Pierres Mutter verliebte.
Er war handwerklich sehr geschickt, und das schien Pierre von ihm geerbt zu haben, denn, ohne je eine Lehre gemacht zu haben, ohne dass jemand ihm das beibrachte, fing er plötzlich an, Tische, Schränke, alle Sorte Möbel
zu bauen.
Er und Cecilia wohnten in einem von ihm selbst konzipierten Haus, wo er selbst vieles selbst einbaute. Ein vornehmes Haus auf einem Hügel, mit Blick zu einem Kilometer breiten Fluss.
Jahre später, als ich ihn in New York besuchte, brachte er mich zu der National Public Library in der 5th Avenue, zeigte mir die mit Edelholz getäfelten Decken und Wände, erklärte mir genau was für ein Holz das war und woher das käme.
Einmal waren wir auf der Suche nach bestimmten Schrauben, irgendwo in Manhattan, mir fielen die Härchen in seinen Nasenhöhlen auf, als ob er sie nie geschnitten hätte. Er erzählte mir gerade, was er einmal mit seinem Wagen erlebt hatte, ein Unfall auf der Straße, wo wir gerade standen.
Er stieg aus, um nach dem Schaden zu schauen, verzichtete darauf, die Polizei anzurufen, ließ den Unfallverursacher mit einem Lächeln und nach einem Händedruck wegfahren, weil es sich herausstellte, dass er ein Franzose war.
Pierre lebte illegal in New York, in Queens.
Ich habe noch ein Kärtchen von ihm, von einer von ihm gegründeten Firma, da kann man lesen, alles was sie anbietet, Reparaturen aller Art, Klempnerarbeiten und, natürlich, alles, was mit Holz zusammen hängt, Türen, Fensterrahmen, etc. Die Firma heißt
FONTAINEBLEAU
Pierres Familie väterlicherseits hatte einen Fisch- und Meeresfrüchte Stand in Marché de Passy, in Paris. Ich habe mal auf diesem Markt lange danach gesucht, bis ich es endlich, nach viel fragen, fand. Sie erzählten mir, ja, Pierres Familie hätte den Stand gehabt, den sie übernommen hatten, vor 15 Jahren...
Einmal kam eine Cousine von ihm aus Paris, eine, in ihrer Jugend, wunderschöne Frau.
Ich fragte ihn, wie sei ihr Besuch gewesen. "Sie stank furchtbar aus den Achselhöhlen", sagte er.
Als ich in New York war wohnte ich bei Pierre in seiner Wohnung in Queens, in einem heruntergekommenen Gebäude.
Genau in der Zeit kam seine Schwester zu Besuch, ich begleitete ihn zum JFK um sie abzuholen. Auch Cecilia und Victor, einer ihrer zwei Söhne, waren dabei. Pierre wollte den Wagen direkt vor dem Flughafen Gebäude parken, es ging aber nicht als Folge des Attentats auf die Twintowers, so dass die anderen ausstiegen während Pierre und ich im Wagen geblieben sind.
Pierre fuhr einige Minuten in einem Kreisel, wir sprachen nicht, wunderbare klassische Musik kam aus dem Radio.
Ich fühlte mich wie in einem Raumschiff.
Plötzlich dachte ich an Ospina, der vor vielen Jahren in diese Stadt ausgewandert und der Army beigetreten war.
Einmal hatte ich in einem Telefonbuch nach seinem Namen geschaut, aber da waren mindestens 30 Ospina.
Ich hätte 30 mal oder mehr anrufen müssen, denn die Latinos sind sehr misstrauisch, sie hätten nicht gesagt, ja, er wohnt hier sondern "vielleicht" wohnt er hier. Vielleicht hätte ich sogar ihn selbst an der Strippe gehabt und er hätte es zuerst geleugnet.
"Hast du was von Ospina gehört?" sagte ich, durch die Musik, zu Pierre.
Er überlegte eine Sekunde und antwortete mit einem höhnischen Unterton:
"Ist er nicht in Vietnam gefallen?"