Lieber Carlos,
wer kennt sie nicht... die Traurigkeit
sie ist so vertraut fast wie ein alter Freund, und trotzdem möchte man sie zur Tür rausschicken wie einen ungebetenen Gast. Aber sie ist hartnäckig, setzt sich schwer auf unsere Brust und hält uns drückend fest.
was Wichtiges gelernt zu haben.
Mit diesem Akzeptieren der Traurigkeit nämlich.
Das freut mich, dieses Gelingen wünsche ich jedem von Herzen, und ganz egoistisch auch mir. Und vor allem daran zu denken wenn es wieder mal so weit ist
Ihr in die Augen zu sehen und sie annehmen ist das einzige was wir machen können, denn sie lässt sich nicht vertreiben. Akzeptieren ist immer der 1. Schritt, aber da muss man ja auch erstmal draufkommen und dann versuchen wie das geht.
Es ist ihr auch egal welchen Namen wir ihr geben, Traurigkeit, Melancholie, Depression, Niedergeschlagenheit, Verstimmung.
Ich glaube, sie ist immer da in uns, nur oft schläft sie oder döst in einer Ecke und wir nehmen sie nicht wahr, dann erwacht sie plötzlich, streckt sich durch unsere Glieder bis sie spürbar wird, so als wolle sie sich in Erinnerung bringen: hey du, ich gehöre auch dazu, ich gehöre zu dir wie dein Lachen, wie dein Glücksempfinden. Ich bin ein Teil von dir ob du mich nun magst oder nicht.
In uns liegt die ganze Welt, das ganze Weltall in einem träumenden Meer und es erfassen uns immer wieder neue andere Wellen.
Interessanterweise schreibst du am Anfang:
von Gefühlen
die sich
in Hass hätten
verwandeln können
tatsächlich gibt es die These, dass Traurigkeit das Resultat unterdrückter Wut ist und auch beim Prozess der Trauerarbeit also der Bewältigung der Trauer läuft diese in verschiedenen Stufen ab, wandelt sich die Trauer zur Wut ist das ein Schritt zur Genesung, zur Verarbeitung.
Nun ist Wut oder gar Hass (Hass sehe ich mal als Übersteigerung der nicht gelebten Wut an) in der zivilisierten Welt ein ebenso unerwünschter Gast, den "man überwinden muss", ich meine aber, dass alle Gefühle Teil unseres menschlichen Wesens sind. Nur die Ausprägungsstärke ist individuell. Und wie man sie auslebt. Und Wut ist ein starkes Energiebündel, so wie das Gewitter in der Luft, helfen wir ihr sich zu entladen, dann ist danach die Atmosphäre wieder rein. Ansonsten kann sie so leicht zur Verbitterung werden.
Manchmal besuchen uns auch alte Gefühle wieder, eine alte Trauer taucht wieder auf, die wir längst vergessen oder überwunden glaubten. Wir alle haben Narben auf der Seele. Und manchmal ziehen sie und schmerzen, melden sich und sagen: sie her auch mich hast du gelebt. (Vielleicht melden sie sich weil noch nicht erfahrene und ausgelebte Wut in ihnen steckt?? ) So suchen wir die Spuren: Was macht einen überhaupt wütend?
Seit ein paar Tagen herrscht eine eigenartige Atmosphäre, viel Müdigkeit, hängende Köpfe, merkwürdige Gedanken, bei mir und bei den Menschen denen ich begegne. Die Athmosphäre ist voll mit Gewittern, die sich hinziehen ohne sich zu entladen. Wilhelm Reich nannte sie Negorgon, also negatives Orgon, diese dunklen Wolken am Himmel und begann sie mit cloudbustern aufzulösen. Er brachte sie auch mit diesen drückenden Gefühlen in Zusammenhang. Da ich selbst sehr "wetterfühlig" bin, habe ich beobachtet, dass da etwas dran ist. Es ist fast so als könne sich aufgestaute Energie nicht lösen, und wenn sie es tut dann mit Blitzen, Elektrizität die sich entlädt, wenn es danach vorbei ist herrscht wieder eine klare reine Atmosphäre, auch für unser Denken.
Wenn es da oben kocht und brodelt, warum sollte das nicht auch auf unsere Stimmung abfärben.
Nun habe ich mich wieder einmal zu einer Gedankenreise von dir verführen lassen und hoffe nicht wieder alte Wunden aufgerissen zu haben weil ich gebohrt habe.
Und danke für die Info, dass es bei dir kein LI gibt sondern nur Carlos
Fühl dich umarmt.