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Feedback jeder Art Zwischen den Lichtern

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  • Perry
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Wir erzählen uns jedes Jahr dieselbe Geschichte.
Stille Nacht. Frieden auf Erden.
Die Wirklichkeit riecht nach Glühwein, nassen Jacken
und überhitzter Heizungsluft.

Im Supermarkt kämpfen Einkaufswagen um die letzte Packung Spekulatius,
irgendwo im Hintergrund dudelt zum x-ten Mal „Last Christmas“,
und an der Kasse leuchten die Gesichter eher vom Display
als von irgendeinem Stern.

Die Kerzen stehen im Regal, acht Stück, Duft „Winterzauber“.
Frieden gibt es diese Woche im Angebot:
„Mehr Achtsamkeit – jetzt im Set mit Entspannungsbad.“

Du kommst nach Hause, die Schuhe voller Stadt,
die Schultern voll mit allem, was „noch schnell“ musste.
Der Tag hängt dir im Nacken wie eine zu schwere Jacke.

Du zündest trotzdem eine Kerze an.
Nicht, weil es feierlich ist,
sondern weil du wissen willst,
ob du diesen verdammten Lärm im Kopf
für fünf Minuten leiser bekommst.

Keine Engelschöre.
Nur das leise Knistern des Dochts,
das Pfeifen der Heizung,
ein paar Stimmen vom Balkon gegenüber.

Du sitzt da und merkst:
Die Welt da draußen läuft weiter auf Anschlag,
aber hier, in diesem kleinen Zimmer,
passiert gerade fast nichts.

Fast nichts –
und genau da rutscht ein Millimeter Luft in die Brust.
Der Atem wird tiefer, dein Gesicht hört auf zu funktionieren
und fängt an, einfach nur da zu sein.

Kein großer Frieden.
Kein Stern, der dir den Weg erklärt.
Nur dieser eine, unspektakuläre Moment,
in dem du nicht mehr hinterherläufst,
sondern kurz stehen bleibst.

Vielleicht ist das alles,
was vom alten Wort „Advent“ noch übrig bleiben muss:
ein bisschen weniger Funktion,
ein bisschen mehr Mensch
zwischen den Lichtern.

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Hallo Driekes, Du hast mich mit Deinen Zeilen abgeholt, denn sie treffen einen Nerv.

In der Kleinstadt, in der ich lebe, ist bereits vor dem Totensonntag der Weihnachtsmarkt eröffnet worden. Hauptsache die Kasse stimmt. Klar grübele ich wie jedes Jahr, wie es zu Weihnachten ablaufen soll, was wir essen etc. Aber viel wichtiger ist, dass wir gesund sind und das, was wir aneinander haben, zu schätzen wissen. Keine großen Geschenke, dafür Zeit miteinander verbringen, reden, lachen und Dankbarkeit verspüren.

Wir haben keine wirklichen Sorgen, dessen bin ich mir bewusst. Das, was uns hier umtreibt, können wir zusammenn in den Griff bekommen.

Dafür hoffe ich aber sehr, dass in der Urkraine in Kürze die Waffen schweigen. Weiterhin wünsche ich mir, die Menschen würden weniger auf ihr Handy und wieder mehr in die Augen des Gegenüber schauen und sich gegenseitig helfen, so dass die Augen vor Freude leuchten.

Danke für Deine Zeilen und liebe Grüße von mir, Juls
 
Moin Darkjuls

hab herzlichen Dank für deine ausführlichen Zeilen – und dafür, dass du dich so ehrlich hineinbegeben hast.
Genau dieser Nerv, den du beschreibst, war der Auslöser für den Text: überall „Stille Nacht“ auf Dauerschleife,
aber innerlich eher Dauerlauf und Reizüberflutung. Wenn dann auch noch vor Totensonntag der Weihnachtsmarkt
läuft, kippt das Ganze endgültig ins Absurde.

Wie du es beschreibst – keine großen Geschenke, dafür Zeit, Gespräche, gemeinsames Lachen und das Bewusstsein, dass ihr im Grunde gut versorgt seid – das ist für mich der Kern von dem, was von „Advent“ noch übrig bleiben darf. Und ja: dankbar sein, ohne die eigenen Sorgen kleinzureden, aber im Wissen, dass vieles gemeinsam zu stemmen ist.

Deine Hoffnung für die Ukraine teile ich sehr. Es fühlt sich seltsam an, hier über Glühwein und Lichterketten zu schreiben, während anderswo Menschen einfach nur überleben wollen. Vielleicht sind genau deshalb diese Momente wichtig, in denen wir – wie du schreibst – wieder mehr in echte Gesichter schauen, weniger ins Display.
Ein bisschen mehr menschliches Leuchten statt Bildschirmglimmen.

Danke dir für deine Gedanken und dass du den Text so mit deinem eigenen Blick weitergeführt hast.
Ich wünsche dir und deinen Lieben genau diese Mischung aus Gesundheit, Zeit füreinander und einigen
ehrlichen, stillen Minuten zwischendurch.

Liebe Grüße,
Driekes
 
Hallo Driekes,

Deinen mich ebenfalls beeindruckenden Zeilen und dem Kommentar von Darkjuls kann ich nicht mehr viel hinzufügen. Ihr habt beide so recht. Seit Anfang Oktober stehen bei uns schon die Nikoläuse in den Regalen. Die Menschen laufen vollbepackt mit irgendwelchen Geschenken durch die Gegend, und alle haben den gleichen, wie festgeklebten, gestressten Gesichtsausdruck. Keiner sieht mehr das Dahinter, das wirklich Wichtige. Advent, Advent, bis das Handy brennt...
Ich bin dankbar dafür, dass ich lebe, jeden Morgen aufstehen und mich auf einen neuen Tag freuen darf.
Auch wenn die Wohnungssuche sich schwer tut. Der Zusammenhalt in der Familie ist nicht mit Geld oder Geschenken zu bezahlen.

Liebe Grüße
Chilicat
 
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Hallo Driekes,
die "Konsumweihnacht" werden wir wohl nicht mehr ändern können, aber an dem zwischenmenschlichen Weihnachtsgedanken kann man immer arbeiten. Im Alter fällt es leichter Innezuhalten und der Stille nachzupüren, allerdings schwingt da dann schon ein wenig die Ahnung mit, sie könnte bald für immer sein.
BIs dahin lass uns
ein bisschen mehr Mensch
zwischen den Lichtern.
sein.
Nachdenkliche Grüße
Perry
 
  • Perry
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