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Feedback jeder Art Herz im Hals

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  • evermore
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Die Türen zischen – wie ein Seufzen,
das nicht mir gilt, doch mich durchdringt.
Ich taumle leicht, mein Schritt ein Schwanken,
als wär mein Körper falsch gestimmt.

Ein Ruck – mein Bein, die Stufe flieht,
ein Lufthauch schleift am Hals entlang.
Ich falle fast – doch meine Finger
finden kalt die Geländerstang´.

Die Treppen schütteln ihre Stufen,
ein dumpfes Stampfen rings umher.
Der Boden klebt nach altem Gummi,
vermischt mit Parfüm, Angst und Teer.

Ein Rollkoffer kreischt wie Schmerz auf Fliesen,
ein Kind schreit nach dem Weg zurück.
Ein Mann flucht in ein Kabelding,
ein Snackautomat blinkt „Glück“.

Ein Duft aus Fett, aus Kaffee, Hefe
zerrt zärtlich an der Übelkeit.
Der Lautsprecher röchelt neue Städte,
mein Hirn verliert die Gegenzeit.

Menschen schwappen, ohne Muster,
Augen suchen, Stimmen prallen.
Jacken reiben, Absätze pochen,
Druckluft zischt in Neonhallen.

Ein Schild – ein Labyrinth aus Pfeilen.
Ich kann nicht lesen. Will nur raus.
Die Wände zittern – keine Flucht,
nur Stille hinterm Schilderklaus.

Ein Schild, ein Klo – ich zittere, treffe
es nur halb, dann wieder: Licht.
Die Lampe brummt, mein Atem flattert,
mein Spiegelbild erkennt mich nicht.

Ich knie fast, doch steh nur still,
mein Daumen dreht den Haargummi,
als sei er Zauber, sei er Schutz
vor dem Moment, in dem ich steh.

Musik läuft dumpf aus einer Box,
ein Lied, das mir den Brustkorb hebt.
Und dann –
ein Lichtstoß auf dem Handy,
„Ich bin da“, steht da, mein Finger bebt.

Ich stehe auf, wie auf Befehle,
mein Bein so steif, mein Blick so scheu.
Der Ausgang Richtung Gleis – ich zähle
die Schritte bis zum Endbereich.

Gleis zehn. Der Wind durchstreift die Halle,
ein Fetzen Zugluft küsst mein Kinn.
Ich steh, wie Kind, halb flüchtig, haltlos,
mit Herz im Hals und Zweifel drin.

Du kannst jetzt jeden Atemzug
die Ecke rund, den Bogen gehen.
Ich wart – nicht mutig, nur bereit –
für alles, was wir wirklich sind.
 
hallo evermore,

hui, da hat das LI aber muffensausen. 😉
die bahnhofsatmosphäre ist gut eingefangen, die verwirrtheit des LI spürbar und das herzklopfen im hals kommt zwar spät, ist aber glaubhaft. für mich ist es ein gedicht mit vielen guten stellen und einzelnen schwachpunkten. auch finde ich es etwas zu lang, vielleicht magst du nochmal darüber nachdenken, ob es wirklich all dieser strophen bedarf, um auszudrücken, was du ausdrücken möchtest. dichten bedeutet ja auch verdichten.

ansonsten markiere ich einfach mal die stellen rotfarbig, die ich für überarbeitungswürdig halte (und dahinter meinen kommentar dazu in blau) natürlich nur aus meiner sicht. wenn du es anders siehst, ignoriere das dann einfach. insgesamt würde auch ein einheitlicheres metrum, zumindest innerhalb der strophen, dem lesefluss gut tun. darauf gehe ich jetzt aber erstmal nicht im detail ein. und was mir besonders gut gefallen hat, schreibe ich in grün dahinter. 🙂

Die Türen zischen – wie ein Seufzen,
das nicht mir gilt, doch mich durchdringt.
Ich taumle leicht, mein Schritt ein Schwanken,
als wär mein Körper falsch gestimmt.
(sehr schöner start, diese strophe hat mich gleich mitgenommen.)
(allerdings ist der reim "durchdringt - gestimmt" nicht ganz rein.)

Ein Ruck – mein Bein, die Stufe flieht,
ein Lufthauch schleift am Hals entlang.
Ich falle fast – doch meine Finger
finden kalt die Geländerstang´. (unschöne, dem reim geschuldete verkürzung. generell eine strophe, die ich für verzichtbar halte.)

Die Treppen schütteln ihre Stufen,
ein dumpfes Stampfen rings umher.
Der Boden klebt nach altem Gummi,
vermischt mit Parfüm, Angst und Teer. (betonung zwingt sich in parfüm auf die falsche silbe)

Ein Rollkoffer kreischt wie Schmerz auf Fliesen,
ein Kind schreit nach dem Weg zurück.
Ein Mann flucht in ein Kabelding,
ein Snackautomat blinkt „Glück“. (viermal hintereinander das "ein" am anfang, wenn man auf die nächste strophe schaut, sogar fünfmal.)

Ein Duft aus Fett, aus Kaffee, Hefe
zerrt zärtlich an der Übelkeit. (ein zärtliches zerren kann ich mir schwer vorstellen, das schließt sich imho aus. vielleicht "drängend"?)
Der Lautsprecher röchelt neue Städte,
mein Hirn verliert die Gegenzeit. (was ist gegenzeit?)

Menschen schwappen, ohne Muster,
Augen suchen, Stimmen prallen.
Jacken reiben, Absätze pochen,
Druckluft zischt in Neonhallen.

Ein Schild – ein Labyrinth aus Pfeilen.
Ich kann nicht lesen. Will nur raus.
Die Wände zittern – keine Flucht,
nur Stille hinterm Schilderklaus. (wer ist klaus? imho wieder eine verzichtbare strophe oder ggf. mit der vorherigen zusammenführen?)

Ein Schild, ein Klo – ich zittere, treffe (in der strophe davor gleicher anfang, zweimal zittern so kurz hintereinander halte ich auch für ungünstig)
es nur halb, dann wieder: Licht.
Die Lampe brummt, mein Atem flattert,
mein Spiegelbild erkennt mich nicht.
(diese beiden letzten verse halte ich für sehr gelungen)

Ich knie fast, doch steh nur still,
mein Daumen dreht den Haargummi,
als sei er Zauber, sei er Schutz
vor dem Moment, in dem ich steh. (lt. erstem vers steht das LI bereits. oder ist gemeint der moment, in dem das LI sich befindet? dann vlt. lieber "in dem ich bin"? ansonsten ist das eine strophe ohne reim und ich weiß nicht, wieso.)

Musik läuft dumpf aus einer Box,
ein Lied, das mir den Brustkorb hebt.
Und dann –
ein Lichtstoß auf dem Handy,
„Ich bin da“, steht da, mein Finger bebt. ("steht da" ist imho verzichtbar, weil es die spannung heraus nimmt und gesagtes wiederholt, denn durch den lichtstoß ist ja schon klar, dass da eine nachricht eingegangen ist)

Ich stehe auf, wie auf Befehle, (reimgeschuldete unschöne anhängung des "e")
mein Bein so steif, mein Blick so scheu.
Der Ausgang Richtung Gleis – ich zähle
die Schritte bis zum Endbereich.

Gleis zehn. Der Wind durchstreift die Halle,
ein Fetzen Zugluft küsst mein Kinn.
(sehr hübsch, der küssende fetzen zugluft)
Ich steh, wie Kind, halb flüchtig, haltlos, (ich verstehe, was du sagen willst, wie kind = unsicher, zaghaft, vielleicht auch hilflos? halb flüchtig: beinahe schon wegrennend, haltlos: ohne halt und sicherheit. aber ich glaube, du willst hier einfach zu viel in den vers packen. vielleicht doch beschränken auf zwei aussagen, z. b: "ich stehe - zaghaft, halb schon fliehend")
mit Herz im Hals und Zweifel drin.

Du kannst jetzt jeden Atemzug
die Ecke rund, den Bogen gehen.
Ich wart – nicht mutig, nur bereit –
für alles, was wir wirklich sind.
(wieder eine strophe ohne reim)

ich habe mich gern mit deinem gedicht beschäftigt und hoffe, du kannst mit meinen überlegungen was anfangen. wenn nicht, ist das natürlich auch völlig ok. ☺️

liebe grüße
sofakatze
 
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Hey @sofakatze

Vielen Dank für das ausführliche und fundierte Feedback, welches ich gerade überflogen habe! Ich werde mir das morgen genauer anschauen, ein müder Blick zu so später Stunde kann so einem wundervollen Feedback nicht gerecht werden 🙂

À bientôt,
evermore
 
Hallo evermore, wenn ich mir nicht sicher wäre, es sollte so sein, wäre ich auch versucht, hier und da zu ändern. Ich denke, die Art des Ausdrucks und der hier und da fehlende Reim verdeutlichen die Schwierigkeiten, in denen das LI steckt. Irgendwie ist es, als stolperte ich als Leser gemeinsam mit dem LI über Stufen. Das zeigt die Aufregung, Hektik und Anspannung des LI beim Warten bis zum Zusammentreffen. Es fängt so harmonisch an und eine Art Unbehaglichkeit steigert sich mit jeder Strophe bis zur erlösenden Nachricht auf dem Handy. (Da wird aus dem Wort "Schilderchaos" schnell einmal das Wort "Schilderklaus")

Der Anfang schlägt meiner Meinung nach einen Bogen zum Schlussvers. Der Leser hat die Gefühlswelt mit dem LI durchlebt und kann dessen Aufregung und Zweifel, wie es nach dieser Achterbahnfahrt in der Wartezeit wohl wirken mag, nachvollziehen. Die Länge des Gedichtes verdeutlicht noch einmal die gefühlte Wartezeit, vermute ich. Herz im Hals und auf der Zunge, würde ich meinen.

Zum Schluss habe ich es so verstanden: ...als wär mein Körper falsch gestimmt,

Ich wart – nicht mutig, nur bereit –
für alles, was wir wirklich sind.

Das Gedicht ist wirklich eine Herausforderung, doch ich habe keine Zweifel, das es aus gutem Grund so formuliert wurde. "Was wir wirklich sind." - Meiner Meinung nach
liebenswerte Menschen mit Schwächen, Zweifeln und Ängsten, die sich der Situation und damit dem Leben stellen.

Liebe Grüße Darkjuls
 
Zuletzt bearbeitet:
hello again @sofakatze

du hast keine blumen geworfen, sondern handschuhe, fein genäht, mit fingergefühl, aber eben auch mit griff.
und das ist selten. nicht im sinne von „rar“, sondern im sinne von: unerwartet kostbar. du hast recht:
dichten heißt verdichten. ich habe versucht, deine kritik so gut wie es geht umzusetzen, vielen dank!

lg
evermore

hier ein mal die momentane version:

Die Türen zischen – wie ein Seufzen,
das nicht mir gilt, doch mich durchdringt.
Ich taumle leicht, mein Schritt ein Schwanken,
als wär mein Körper falsch gestimmt.

Die Treppen schütteln ihre Stufen,
ein dumpfes Stampfen rings umher.
Der Boden klebt nach altem Gummi,
vermischt mit Aftershave, Angst und Teer.

Rollkoffer kreischt wie Schmerz auf Fliesen,
ein Kind schreit nach dem Weg zurück.
daneben flucht ein Mann ins Kabelding,
der Snackautomat blinkt „Glück“.

Ein Duft aus Fett, aus Kaffee, Hefe
drängt säuerlich zur Übelkeit.
Der Lautsprecher röchelt neue Städte,
mein Hirn verliert die Gegenzeit.

Menschen schwappen, Stimmen gellen,
ein Schild zerfranst – ich finde raus.
Jacken reiben, Absätze bellen,
die Neonhalle speit mich aus.

Ich schwanke durch die Klo-Kabine,
die Lampe brummt, mein Atem bricht.
Der Boden klebt mit Chlor-Miene,
mein Spiegelbild erkennt mich nicht.

Ich knie fast, doch bleib im Lot,
mein Daumen dreht den Haargummi.
Als wär er Schwur vor einem Tod,
getarnt im Griff wie Mimikry.

Musik läuft dumpf aus einer Box,
ein Lied, das mir den Brustkorb hebt.
Und dann –
ein Lichtstoß auf dem Handy,
„Ich bin da“, mein Finger bebt.

Ich steh, als wär mein Körper Miete,
ein Zucken fährt durch meine Hand.
Die Anzeige zeigt die Zuggebiete,
mein Atem hängt am Fluchtverstand.

Gleis zehn. Der Wind durchstreift die Halle,
ein Fetzen Zugluft küsst mein Kinn.
Ich steh – zaghaft, halb im Falle,
mit Herz im Hals und Zweifel drin.

Du kannst jetzt jeden Atemzug
umrunden, wo das Licht beginnt.
Ich wart – nicht mutig, nur mit Zug,
für alles, was wir wirklich sind.

Hey @Darkjuls

danke für das stille mitgehen. kein rotstift, kein stempel, sondern einfach ein sich-neben-mich-setzen, in diesem wartehallen-universum, wo die luft nach teer riecht und die sätze nach nervenflattern schmecken.

du hast nicht analysiert. du hast gespürt. und das merkt man in jedem satz. du hast den text einfach durchlebt – wie man durch eine lange nacht geht, mit einer taschenlampe aus mitgefühl.

ich hab beim schreiben oft nicht an reim gedacht, nicht an form. nur an dieses dumpfe: ich weiß nicht, ob ich genug bin, aber ich bin da. und du hast genau das aufgenommen, ohne mir zu sagen, dass ich’s hätte eleganter sagen sollen. (halleluja, ich freue mich sowohl über die kritik von sofakatze, als auch über dein mitgehen, ich denke eine synthese derer ist das beste, was man bekommen kann)

lg
evermore
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Morgen evermore, wie ich sehe, bist Du gewillt zu ändern. Das Origninal gefällt mir in mancher Hinsicht besser, als die Überarbeitung. Ich hätte nun auch ein paar Vorschläge zur Güte:
Ich falle fast – doch meine Finger
finden kalt die Geländerstang´.
finden Halt am Geländestrang

Der Boden klebt nach altem Gummi,
vermischt mit Parfüm, Angst und Teer.
Der Boden riecht nach altem Gummi,
vermischt mit Deo, Angst und Teer. oder

Der Boden klebt von altem Gummi.....

Ein Rollkoffer kreischt wie Schmerz auf Fliesen,
ein Kind schreit nach dem Weg zurück.
Ein Mann flucht in ein Kabelding,
ein Snackautomat blinkt „Glück“.
Ein Rollkoffer wie Schmerz auf Fliesen,
....
ein Automat für Snacks blinkt "Glück".

Ein Duft aus Fett, aus Kaffee, Hefe
zerrt zärtlich an der Übelkeit.
Der Lautsprecher röchelt neue Städte,
mein Hirn verliert die Gegenzeit.

Der Duft aus Fett, Kaffee und Hefe
zerrt merklich an der Übelkeit
Der Lautsprecher röchelt neu Städte
mein Hirn verliert sich in der Zeit

Jacken reiben, Absätze pochen,
Druckluft zischt in Neonhallen.
Jacken reiben, Schuhe pochen

Ein Schild – ein Labyrinth aus Pfeilen.
Ich kann nicht lesen. Will nur raus.
Die Wände zittern – keine Flucht,
nur Stille hinterm Schilderklaus.
Diese Strophe halte ich für entbehrlich.

mein Daumen dreht den Haargummi,
als sei er Zauber, sei er Schutz
vor dem Moment, in dem ich steh.
....,
vor dem Moment, aus dem ich flieh.

Und dann –
ein Lichtstoß auf dem Handy,
„Ich bin da“, steht da, mein Finger bebt.
...
"bin da" les ich, mein Finger bebt

Ich stehe auf, wie auf Befehle,
mein Bein so steif, mein Blick so scheu.
Der Ausgang Richtung Gleis – ich zähle
die Schritte bis zum Endbereich.
Diese Strophe halte ich ebenfalls für entbehrlich.

Ich steh, wie Kind, halb flüchtig, haltlos,
mit Herz im Hals und Zweifel drin.
Ich steh, ein Kind, halb flüchtig, haltlos
das Herz im Hals und Zweifel drin.

Du kannst jetzt jeden Atemzug
die Ecke rund, den Bogen gehen.
Ich wart – nicht mutig, nur bereit –
für alles, was wir wirklich sind.
Du kennst jetzt jeden Atemzug
die Ecke rund, wer wagt gewinnt.
Ich wart- nicht mutig, nur bereit-
für alles, was wir wirklich sind.


Es grüßt Juls
 
Hey @Darkjuls

Danke auch für die ausführliche Kritik, sie bringt den Text wirklich weiter! Ich habe vieles übernommen und einiges etwas abgeändert 🙂

LG
evermore

Die momentane Version:

Die Türen zischen – wie ein Seufzen,
das nicht mir gilt, doch mich durchdringt.
Ich taumle leicht, mein Schritt ein Schwanken,
als wär mein Körper falsch gestimmt.

Die Treppen schütteln ihre Stufen,
ein dumpfes Stampfen rings umher.
Der Boden riecht nach altem Gummi,
vermischt mit Aftershave, Angst und Teer.

Rollkoffer kreischt wie Schmerz auf Fliesen,
ein Kind schreit nach dem Weg zurück.
daneben flucht ein Mann ins Kabelding,
der Snackautomat blinkt „Glück“.

Ein Duft aus Fett, aus Kaffee, Hefe
drängt säuerlich zur Übelkeit.
Der Lautsprecher röchelt neue Städte,
mein Hirn verliert sich in der Zeit.

Menschen schwappen, Stimmen gellen,
ein Schild zerfranst – ich finde raus.
Jacken reiben, Schuhe bellen,
die Neonhalle speit mich aus.

Ich schwanke durch die Klo-Kabine,
die Lampe brummt, mein Atem bricht.
Der Boden klebt mit Chlor-Miene,
mein Spiegelbild erkennt mich nicht.

Ich knie fast, doch bleib im Lot,
mein Daumen dreht den Haargummi.
Als wär er Schwur vor einem Tod,
getarnt im Griff wie Mimikry.

Musik läuft dumpf aus einer Box,
ein Lied, das mir den Brustkorb hebt.
Und dann –
ein Lichtstoß auf dem Handy,
„Ich bin da“, mein Finger bebt.

Ich steh, als wär mein Körper Miete,
ein Zucken fährt durch meine Hand.
Die Anzeige zeigt die Zuggebiete,
mein Atem hängt am Fluchtverstand.

Gleis zehn. Der Wind durchstreift die Halle,
ein Fetzen Zugluft küsst mein Kinn.
Ich steh – zaghaft, halb im Falle,
das Herz im Hals und Zweifel drin.

Du kennst jetzt jeden Atemzug
die Ecke rund, wer wagt gewinnt.
Ich wart – nicht mutig, nur mit Zug,
für alles, was wir wirklich sind.
 
Gern habe ich nun auch Deine jüngste Version gelesen. Sehr gut, Du weißt am ehesten, was Du ausdrücken wolltest und für Dich muss es passen. Mich treibt nur noch die Frage um, was meinst Du mit:

Ich wart – nicht mutig, nur mit Zug,
nur mit Zug?

Vorher konnte ich das "nur bereit" für mich einordnen. Wenn man hier auch reimen wollte, würde "gut genug" oder "nur genug" passen.

Hab einen schönen Tag, Juls
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi evermore,
da ist viel, das mich mitnimmt,
aber die zweite Strophe hat mich förmlich mitgerissen. Ein bekanntes Gefühl in einer mir neuen,
sehr passenden Beschreibung. Das ist cool, wenn höchst Unangenehmes in Worte gekleidet wird,
die einen Lese-Spaß daraus werden lassen.
Danke.
 
Hey @Darkjuls

„nur mit Zug“ ist teilweise dem Reim geschuldet, aber auch gleichzeitig Wortspiel: Zug = Fortbewegungsmittel, aber auch Zug wie in Zug zur Tat, innerer Antrieb, Entschlossenheit.
Also: nicht mutig, aber ich gehe. Ich handle. Nicht aus Heldenmut, sondern weil der Körper sich Richtung Bedeutung bewegt.
Der Text ist durchzogen von Transitbildern, Körperlichkeit, Entfremdung, einem fast dissoziativen Blick, und das wird finde ich durch die karge Formulierung verstärkt?

Den wünsche ich dir auch! 🙂
evermore
 
  • evermore
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