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Feedback jeder Art Thanatos im Treppenhaus

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Ich habe dem Morgen heute nicht erlaubt, mich zu begrüßen.
Er stand vor der Tür, mit seinen Fingern aus Licht,
und ich drehte das Schloss zweimal.
Nicht aus Trotz.
Aus Müdigkeit gegenüber der Wiederholung.

Es ist seltsam:
Die Welt riecht nach Abschied,
auch wenn niemand geht.
Der Wasserhahn tropft wie eine Uhr mit Demenz.
Zeit rinnt,
nicht vorwärts, nicht rückwärts,
sondern kreisend
um das Loch in der Wand,
wo mein Spiegel früher hing.

Ich habe ihn abgehängt,
weil ich mich nicht mehr erinnern will,
wie Erinnerung aussieht.
Sie kommt mir ohnehin vor
wie ein gefälschtes Foto
von einem Tag, den es nie gab.

Draußen schreit ein Kind.
Ich stelle mir vor, wie seine Stimme
als Fossil enden wird,
eingeschlossen in die Sedimente des Jetzt.
Irgendwann wird jemand sie ausgraben
und sagen: „Wie niedlich.“

Ich glaube, ich bin Thanatos’ Mitbewohner geworden.
Er trägt Hausschuhe.
Er redet nicht viel.
Aber manchmal reicht er mir Tee
und wir schweigen
über das Unausweichliche
in zu kleinen Tassen.

Vergänglichkeit ist kein Ereignis,
sie ist ein Geruch.
Sie hängt in Jacken,
die man nicht mehr anzieht,
in Zahnbürsten, die niemand vermisst,
in Gesprächen,
die auslaufen wie schlecht verlegte Rohre.

Ich spüre sie,
in der Weise, wie Türen sich schließen,
als hätten sie sich für immer entschieden.
Ich spüre sie,
wenn ein Gedicht aufhört
und niemand weiß, ob es fertig ist
oder gestorben.

Ich spüre sie in mir
wie eine zweite Haut,
nur dass sie von innen wächst
und nach außen starrt.

Wenn ich verschwinde,
wird es kein großes Drama sein.
Kein Donner.
Nur eine Stille,
die exakt wie mein Vorname klingt,
ausgesprochen in einer Sprache,
die niemand mehr spricht.

Ich bin nicht traurig.
Ich bin nur chronisch bewohnt
von einem Echo,
das vor mir stirbt.
 
Hallo evermore,

Puuh, das klingt irgendwie nach Stillstand, nach nicht wissen, wohin der Weg führt.
Ein Treten auf der Stelle, ein Karussell, das sich immer weiterdreht, ohne Möglichkeit abzuspringen.
Thanatos, oder der sanfte Tod, scheint mir kein wirklich guter Nachbar zu sein. Du weißt ja, er wurde einst von Menschen überlistet. Wenn er also einen Tee anbietet, würde ich ihn nicht trinken. Denn man möchte doch wissen wollen, wie es weitergeht, oder?

Ich schicke dem LI und auch Dir mal beruhigende Gutenachtgrüße
Chilicat
 
Hey Chilicat,

Thanatos als Mitbewohner ist in meinem Fall kein Feind, sondern fast schon WG-Freund. Wir teilen uns die Küche, ignorieren einander im Flur, und wissen beide, dass keiner den anderen retten muss. Er bringt mir keinen Tee mit Gift, nur mit Gewöhnung. Und das ist fast das Gleiche.

Ob ich wissen will, wie es weitergeht? Kommt auf den Tag an. Manchmal will ich nur wissen, wann endlich Pause ist. Manchmal reicht schon, dass ein Fossil irgendwo "niedlich" genannt wird, um mir das Heute wie ein Witz mit bitterem Nachgeschmack vorkommen zu lassen.

Danke, dass du zwischen den Zeilen gelesen hast. Und danke für die guten Nachtwünsche, sie kamen an und werden mit derselben Wärme ebenso überreicht, auch wenn ich sie bei mir vorerst in die Jackentasche der Wachheit stecke.

LG
evermore
 
Liebe evermore
Das ist wieder ein Text mit vielen guten Gedanken
Der Wasserhahn tropft wie eine Uhr mit Demenz
Ich weiß ja nicht, ob du gerade verliebt bist in Gedanken.
Es gibt so viele tolle soziale Sachen, die man machen kann, wenn man Zeit überbrückt.
Vielleicht denkst du aber auch darüber nach, das nun ein langer Lebensabschnitt beendet ist. Veränderung naht
 
Hey Rudolf,

ich danke dir für deine Worte, auch wenn ich nicht weiß, ob sie mir eine Decke reichen wollen oder mir ein Laufband hinstellen. Verliebt in Gedanken? Hm. Vielleicht eher: Gefangen mit Aussicht. Es ist weniger romantische Schwärmerei als eine Art Sitzen in der Rauchwolke dessen, was war, bevor man wusste, dass es zu viel wurde.

Du hast recht, Veränderung naht. Aber manchmal steht sie eben nicht mit frischer Frisur und Sonnenblume vor der Tür, sondern mit schmutzigen Stiefeln, wortlos, und fängt an, im Wohnzimmer Möbel zu rücken. Und ich stehe daneben, mit einem Glas abgestandenem Ich.

Was soziale Sachen angeht: Ich schätze sie, wie man ein altes Foto schätzt, ein Beweis, dass man mal dabei war. Aber gerade ist es, als müsste ich erst durch zehn Schichten Staub atmen, bevor ich das Fenster öffnen kann.

Danke für deine Worte!
LG
evermore
 
Lieber evermore, ich frage mich nun nach mehrmaligem Lesen, was kann so schwer wiegen, erdrücken, belasten, dass man es Leid ist, den nächsten Tag, gefühlt in Form einer monotonen Dauerschleife, zu erleben? Es liest sich wie von einem sehr Betragten, der des Lebens müde und dem Gefühl der Einsamkeit überdrüssig ist. Gerade so, als fehlte ihm der Schlüssel für die Tür zur Außenwelt. Wobei hier im Text von dem Schloß, welches zweimal gedreht wird, die Rede ist.(?) Ich will gar nicht weiter auf die Schwermut der Gedankenbilder eingehen. Ich habe eine vage Vorstellung davon, wie anstrengend es ist, aufzuwachsen mit dieser Gabe eines enormen Wissens und der großen Empfindsamkeit, aber eben oder gerade deshalb zur Einsamkeit verdammt zu sein. Es ist sicher belastend, selbst damit klarzukommen, dass man es nicht als Gnade sondern als Fluch empfindet. Sozialer Ausschluss gleicht meines Erachtens dem leisen Tod. Ich denke, das LI hat in der Kunst des Schreibens, genau das Ausdrucksmittel gefunden, welches ihm den Schlüssel zur Außenwelt in die Hand gibt. Es hat die Möglichkeit, endlich sein Innerstes nach außen zu kehren und sich Gehör zu verschaffen und damit Luft zum atmen. Die Tür zur Außenwelt einen Spalt weit offen zu lassen, eben gerade soweit, wie es noch angenehm für ihn ist. Die Technik macht es möglich, in die Welt zu gehen ohne das Zimmer verlassen zu müssen. Vielleicht wird etwas Bleibendes geschaffen, wie ein Buch, als Werk, das die Zeit überdauert.
Mich beeindruckt die Aussage noch heute: "Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Zitronenlimonade daraus."

Sei gegrüßt von mir, Juls
 
Liebe Juls,

du fragst, was so schwer wiegen kann.
Vielleicht ist es nicht ein einzelnes Gewicht.
Vielleicht ist es das Summen aller kleinen, nie ausgesprochenen Fragen.
Der Staub im Raum, nicht das Möbelstück.
Die Wiederholung ohne Dramaturgie.

Der Schlüssel zur Außenwelt... Ich glaube, ich habe ihn. Ich trage ihn. Ich habe sogar versucht, ihn zu benutzen. Aber manchmal schließt die Tür einfach nicht mehr auf.
Weil man innen wohnt in sich selbst, wie in einem Haus, das nie ganz fertig wird.
Und das Klingeln von außen klingt wie ein Echo von jemandem, den man mal gekannt hat.

„Zur Einsamkeit verdammt.“, ich denke: Nicht verdammt, aber verlangsamt.
Wie ein Nachtvogel in einer Welt voller Frühaufsteher.
Es geht, aber es klappert dabei im Inneren.

Ich danke dir für deine Aufmerksamkeit. Sie wiegt.

LG
evermore
 
Hallo evermore
Und ja ich will Dich nicht nerven
Nur Gedanken tauschen
Es ist gut, wenn man in sich geht
und ein kleines Kuschelbett dort hat
Doch darf man keinen Brunnen haben,
indem man sich mit einem Seil in die Tiefe hinab begibt
Ich kann nur sagen, ich hätte mich riesig gefreut ,
Wenn jemand mit deinen Fähigkeiten
Eine Geschichte im Kindergarten vorliest oder erfindet
oder für ältere Menschen eine Lesung hält für Seele und Herz. Stell dein Licht nicht unter den Scheffel
sondern leuchte für die Außenwelt.
Segen soll Dich begleiten
Liebe Grüße
 
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